Wahlprogramm

FDP-Apotheker Brandl: Ihr lasst die Haie ins Becken!

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Berlin -

Jahrelang war die FDP die politischen Heimat von Apotheker Anton Brandl. Er führt in Ingolstadt die Oberer Apotheke, war Vorstandsmitglied im lokalen FDP-Verband und 2013 sogar Bundestagskandidat der Liberalen. Seit dem Beschluss des FDP-Bundesparteitages zur Aufhebung des Fremdbesitzverbots hat Brandl genug von den Freien Demokraten und will austreten: Er wirft seiner Partei „plakativen Wahlkampf“ und Neoliberalismus ohne Vernunft vor, mit dem „ausländische Heuschrecken den Gesundheitsmarkt überfallen“ könnten.

Um seinem Frust Luft zu verschaffen, hat Apotheker Brandl seine Meinung zu den jüngsten FDP-Beschlüssen zu Papier gebracht und Briefe an FDP-Chef Christian Lindner und Albert Duin, den FDP-Landesvorsitzenden in Bayern, geschickt. Duin hatte zum letzten FDP-Parteitag den Antrag zur Aufhebung des Fremdbesitzverbots gestellt, der daraufhin den Weg ins FDP-Wahlprogramm gefunden hat: „Ich verstehe das einfach nicht“, schreibt Brandl, „vielleicht jetzt doch ein Einknicken vor dem Großkapital aus der Schweiz, Saudi Arabien oder USA? Oder doch nur banale Zeitgeist-Idiotie nach dem Motto: Internet ist geil? Die FDP als blinde Digital Lobby?“

Wahlkampfzeiten seien von jeher geprägt gewesen von akzentuierten, verschärften Meinungsäußerungen und Kundgebungen jeglicher Art. „Wir Apotheker waren auch von jeher gewohnt, unbeachtet, belächelt manchmal aus der Historie beneidet, jedenfalls selten ernst genommen zu werden“, so der Apotheker. Jetzt im Frühjahr 2017 mache ausgerechnet die FDP in einer Art und Weise gegen das etablierte Gesundheitswesen Politik, dass er sich in aller Deutlichkeit dazu äußern müsse.

Die Arzneimittelversorgung sei in allen EU-Ländern ausdrücklich den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. In 21 der 28 Mitgliedstaaten sei der Versand mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten. Deren Abgabe sei mit gutem Grund an die persönliche Beratung und Abgabe in einer öffentlichen Apotheke gekoppelt. Ebenfalls aus gutem Grund seien alle Apotheken an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden. Seit Langem schon versuchten ausländische Kapitalkonzerne, Versicherungen und Pharmahersteller den deutschen Markt zu erobern und nach gescheiterten Kettengründungen hätten ausländische Versandapotheken jetzt einen Vorteil durch das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016.

Eine „vernünftige politische Maßnahme um die den Apotheken übertragene Aufgabe der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen wäre, ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten“, schreibt Brandl. Der von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eingebrachte Antrag hierzu sei zwar heftig diskutiert worden, „vor allem von der SPD, aber besonders heftig von der FDP“ aber abgelehnt worden.

Brandl: „In einem weiteren Schritt soll jetzt auch noch dem Großkapital das Investieren in Apotheken erleichtert werden und die persönliche Leitung und Haftung des Apothekers abgeschafft werden.“ Dass die FDP jetzt die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes bei Apotheken ins Programm aufgenommen habe, sei „plakativer Wahlkampf“ und der Neoliberalismus gewinne „über Vernunft und bewährte Systeme offensichtlich ohne Nachdenken die Oberhand“. „Will man wirklich, dass eben ausländische Heuschrecken den Gesundheitsmarkt überfallen?“, fragt Brandl die FDP-Führung.

Dann weist Brandl auf ein paar Hintergründe hin: Der größte europäische Arzneimittelversender „Zur Rose“ mit seiner Tochter „DocMorris“ habe trotz seiner knapp einer Milliarde Schweizer Franken Umsatz in 2016 erneut Kapitalbedarf. Dazu sei kurzerhand ein Aktienpaket geschnürt und für einen zweistelligen Millionenbetrag an das saudische Königshaus verkauft worden. Die „Matterhorn Pharma Holding“ eine Tochter der „Al Faisaliah Holding“ mit Sitz auf den Cayman Inseln, einer bekannten Steueroase für Großkapital, habe damit einen Anteil an der größten Versandapotheke Europas erworben.

Brandl: „Und während jeder deutsche Apotheker seinen persönlichen Steuersatz als Einzelunternehmer, also meist 42 Prozent Steuern auf die Erträge zahlt, darf hier munter spekuliert werden, wie viel Steuern die arabischen Scheichs zahlen! Ist es das, was Herr Lindner unter Liberalismus versteht?“ In den „Karlsruher Freiheitsthesen“ der FDP stehe: „Fairness bestimmt unsere Vorstellungen zur Teilhabe am Wohlstand.“ Und weiter: „Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft. Mit Pioniersinn und Patriotismus, Mut und Kreativität, Leistungsbereitschaft und Verantwortung hat der Mittelstand unser Land einst wieder aufgebaut und so das deutsche Wirtschaftswunder möglich gemacht. Wir Liberalen wollen diese mittelständischen Tugenden stärken.“ Ein Satz daraus habe ihm immer besonders gefallen: „Wo Bürger oder Unternehmen sich nicht auf Augenhöhe begegnen, muss das Recht den Schwachen vor Machtmissbrauch des Starken schützen.“

Dazu stehe die gerade ausgegebene Marschrichtung der FDP in krassem Widerspruch. Das Versandhandelsverbot sei immer mit dem Hinweis abgelehnt worden, eine Gefährdung der Apotheken vor Ort wäre nicht zu erkennen! „Hallo? Wenn man in ein Bassin, in dem bisher nur Heringe, Sardinen, Seetang und Muscheln herumschwimmen auf einmal Haie reinlässt….nach dem Motto ‚vielleicht fressen die ja doch nur Grünzeug und Muscheln?‘ Wie naiv kann man denn als verantwortlicher Politiker sein?“, so Brandl.

Die Apotheker bräuchten „keinen Artenschutz“, aber fairen Wettbewerb und nicht Konkurrenz, „für die die Regeln nicht gelten und die unerlaubte Mittel und Kapital aufs Spielfeld kippen!“ Wenn man eines der best funktionierenden Gesundheitssysteme aus dem Gleichgewicht bringen wolle, mache man das genau durch so eine Öffnung zum Ausland und Kapital.

In den deutschen Apotheken arbeiteten 160.000 Angestellte, meist Frauen, viele in Teilzeit, auch viele Wiedereinsteigerinnen. Brandl: „Ich komme aus Ingolstadt. Wenn bei Audi eine Produktionslinie verändere oder gar ins Ausland verlege, sei „hier der Teufel los! Zu Recht!“. 160.000 Mitarbeiter in deutschen Apotheken seien aber mehr als die Mitarbeiter von Audi, BMW und Porsche in Deutschland zusammen: „Auch das sollten sich die Politiker mal überlegen, bevor sie die Haie ins Becken lassen!“ Bevor Brandl seinen Austritt aus der FDP vollzieht, will er noch die Antworten abwarten – wenn diese denn kommen.

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