Die Demokratie der Anderen Patrick Hollstein, 01.09.2014 15:34 Uhr
Stell Dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin. Dann hat die Demokratie ein Problem. Von den 3,4 Millionen Stimmberechtigten in Sachsen verzichtete am Sonntag jeder Zweite darauf mitzubestimmen, wohin die politische Reise in den kommenden Jahren gehen soll. Die Nichtwähler werden zur größten politischen Gefahr.
Egal, ob die Sachsen zu gemütlich oder, wie vielfach behauptet, einfach noch im Urlaub waren: Wenn eine breite Masse der Bevölkerung nicht zur Wahl geht, dann hat keine Partei einen Grund, Wahlerfolge zu feiern.
Die nicht abgegebenen Stimmen berücksichtigt, läge die CDU mit Spitzenmann Stanislaw Tillich bei schwachen 19 Prozent, die Linke als zweitstärkste Kraft müsste sich mit 9,2 Prozent zufrieden geben. Die SPD hätte mit 6 Prozent gerade noch den Einzug in den Landtag geschafft, die AfD wäre genauso wie FDP, Grüne und NPD draußen.
Anders ausgedrückt: Die beiden Partner der sogenannten Großen Koalition, auf die es wohl auch in Sachsen aus Ermangelung an Alternativen hinauslaufen wird, haben gerade einmal die Unterstützung von jedem vierten Wahlberechtigten. AfD, Liberale und Ökos müssten sich eingestehen, dass sie derzeit eigentlich nicht für das Mitbestimmen im Land vorgesehen wären.
Nun war Politik noch nie jedermanns Sache – und die meisten Wähler entscheiden sich bekanntlich oft auch nur für das geringste Übel. Doch längst haben sich ganze Bevölkerungsgruppen ganz aus der Demokratie verabschiedet, größtenteils weil sie finden, dass Politik für ihr Leben beliebig ist: Für 17 Millionen Menschen in Deutschland macht es keinen Unterschied, wer am Ende die Wahl gewinnt, weil sich für sie sowie nichts ändern wird. Politiker, das haben die Menschen gelernt, sitzen nicht am Stammtisch, sondern in den Aufsichtsräten.
Je geringer die Wahlbeteiligung, desto geringer sind ihre statistische und soziale Repräsentativität, warnen Forscher. Sie sprechen von einer „Demokratie der Besserverdienenden“. Nur wer glaubt, etwas (in seinem Sinne) bewegen zu können, der lässt sich mobilisieren – zur Wahl oder sogar zur Mitgliedschaft in einer der Parteien.
Hier liegt die einzige Chance für die Volksvertreter, ihrem Namen gerecht zu werden. Jedem Politiker muss klar sein, dass Politik am Ende eine Frage der Mehrheit ist. Und die haben rein rechnerisch heute die Nichtwähler, zumindest in Sachsen.