Das Ergebnis der Bundestagswahl schockt die Republik. Deutschland rückt nach rechts, die AfD schafft Unsicherheiten, die noch lange nachhallen werden. Die Jahrzehnte gewohnte Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit deutscher Bundesregierungen ist vorerst dahin. Niemand kann vorhersehen, wie die Regierungsbildung ausgeht. Aber eines scheint klar: Für die Apotheker sinkt die Wahrscheinlichkeit auf Durchsetzung eines raschen Rx-Versandverbots – egal, wer das Bundesgesundheitsministerium demnächst führen wird. Wer kümmert sich jetzt um die Apotheker, fragt Lothar Klein in seinem Kommentar.
Nicht nur der Einzug der AfD in den Bundestag verändert die politische Landschaft. Vielleicht stärker noch als die rechtspopulistische Partei wird die überraschende Schwäche der Union die nächste Legislaturperiode prägen. Angela Merkel (CDU) ist als personifizierte Konstante der deutschen Politik angeschlagen. Die Diskussion über die Ursachen des zweit schlechtesten Wahlergebnisses der Nachkriegszeit hat gerade erst begonnen.
Vor allem bei der bayerischen CSU brennen alle Alarmlichter. Niemand weiß, wohin das am Ende führt. Klar ist aber, dass Merkel und die Union die Bedingungen für die neue Bundesregierung nicht mehr diktieren können. Das macht die anstehende Koalitionssuche noch komplizierter als sie ohnehin schon ist.
Aller Voraussicht nach, wird es daher Monate brauchen, bis die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnehmen kann. Am 15. Oktober wählt Niedersachsen einen neuen Landtag. Es bleibt abzuwarten, wie das Ergebnis der Bundestagswahl darauf ausstrahlt. Erst danach werden sich die Parteien intensiv mit der Sondierung der Koalitionsoptionen befassen.
Die SPD hat sich vorerst selbst aus der Regierungsbildung verabschiedet. Ob die Verweigerung politisch klug ist und vor allem Bestand hat, bliebt abzuwarten. Scheitert der Versuch zur Bildung einer Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen wird der Druck auf die Sozialdemokratie wachsen. Nicht auszuschließen ist daher, dass es am Ende doch noch zu einer Großen Koalition kommt – dann womöglich ohne Angela Merkel und Martin Schulz.
Klar ist, dass die Wahlprogramme am Tag nach der Entscheidung so gut wie keine Bedeutung mehr haben. Damit ein Jamaika-Bündnis überhaupt in Reichweite kommen kann, müssten CDU/CSU, FDP und Grüne so große Kompromissfähigkeit aufbieten, dass viele Versprechen nur noch Makulatur sind. Prognosen über Inhalte und Personalkonstellation sind derzeit Kaffeesatzleserei. Welche Partei stellt den Gesundheitsminister? Welche Positionen zur Apothekenpolitik können sich durchsetzen?
Die Unsicherheiten sind größer denn je. Das spielt all jenen in die Hände, die die Übergangszeit für ihre Interessen nutzen können – Vorteil nicht nur für DocMorris. Die Verkündung der Übernahme der Europa Apotheek durch die Shop-Apotheke ist kein Zuifall. Der EU-Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln kann vorerst seine Wettbewerbsvorteile weiter ausspielen. Bis eine neue Bundesregierung eine Regelung gefunden und gesetzgeberisch umsetzen kann, wird mehr als ein Jahr vergehen. Darauf müssen sich die Apotheker einstellen.
Nächste Woche könnte der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Skonti-Urteil neue Probleme schaffen. Verbieten die obersten Richter Skonti zusätzlich zu den üblichen Rabatten, geht den Apothekern ein Teil ihrer Kalkulationsbasis verloren. Und ein Gesetzgeber, der darauf reagieren könnte, ist nicht in Sicht.
Wer also dachte, die letzten bald zwölf Monate seit dem EuGH-Urteil seien an Unsicherheit und Aufgeregtheit nicht zu überbieten, der muss sich auf weitere Überraschungen gefasst machen. Die ABDA hat voll und ganz auf die Union und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gesetzt. Aufgewacht ist sie wie viele in einer anderen politischen Realität. Wer rettet jetzt die Apotheker?
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