Kassenpatienten sollen nach dem Willen von Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), besser vor unnützen Vorsorgeuntersuchungen bewahrt werden können. „Wir müssen Nutzen und Risiko der Vorsorgeuntersuchungen stärker hinterfragen als bisher“, sagte er der Berliner Zeitung. Die Krankenkassen und die Grünen begrüßten den Vorstoß. Aus der Union kam Kritik.
Montgomery bezog sich vor allem auf bestimmte Screening-Programme zur Krebserkennung. Studien zeigten, dass sich die Zahl der Todesfälle durch derartige Untersuchungen nur marginal senken lasse. Zudem würden oft nur die erreicht, die sich ohnehin um ihren Körper kümmerten, sagte Montgomery. Kritiker bemängeln, dass es durch Vorsorgeuntersuchen auch zu Fehldiagnosen und schlimmstenfalls unnötigen Operationen komme.
„Nötig ist eine wissenschaftliche Analyse aller Statistiken, die es zu den Vorsorgeuntersuchungen gibt, um das Verhältnis von Nutzen und Risiko besser zu bestimmen“, sagte Montgomery. „Die etablierten Vorsorgeuntersuchungen gerade im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin stehen dabei ebenso wenig infrage wie die Check-up-Untersuchungen für Erwachsene.“
Ansonsten werden etwa Tastuntersuchungen im Bereich Prostatakrebs, Mammografie- und Hautkrebs-Screening breit angeboten und von den Kassen bezahlt. Es gibt auch viele Vorsorgeuntersuchungen, die Ärzte den Versicherten auf deren eigene Kosten anbieten und deren Nutzen von Kritikern oft infrage gestellt wird. Für die Bestimmung der Kassenleistung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zuständig.
Laut IQWiG-Chef Professor Dr. Jürgen Windeler sind die wissenschaftlichen Kriterien der Tastuntersuchung auf Prostatakrebs, der regelmäßigen allgemeinen Check-ups und des Hautkrebs-Screenings fragwürdig. Die Patienten müssten wissen, dass es dabei auch um wirtschaftliche Interessen der Ärzte gehe.
Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn mahnte die Ärzte, nicht den Eindruck zu erwecken, dass alle Maßnahmen schaden. Die frühzeitige Entdeckung von Krankheiten könne viel unnützes Leid vermeiden und Leben retten. Die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche sagte: „Tatsächlich unabhängige, wissenschaftliche Prüfungen von Nutzen und Risiko sind längst überfällig.“
Die Krankenkassen begrüßten die Ankündigung. „Jede ärztliche Routine sollte von Zeit zu Zeit hinterfragt werden“, sagte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. Das gelte natürlich auch für Vorsorgeuntersuchungen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte erst vor wenigen Tagen eine Kampagne für Hautkrebs-Früherkennung gestartet. Denn nur knapp jeder dritte Bundesbürger über 35 Jahre nutze seinen Anspruch darauf, hieß es. „Dabei kann Hautkrebs sehr gut erkannt werden und ist im Frühstadium gut heilbar“, sagte KBV-Chefin Regina Feldmann.
APOTHEKE ADHOC Debatte