Vor-Ort-Apotheken stärker als Versandhandel APOTHEKE ADHOC, 15.04.2020 10:19 Uhr
Die Vor-Ort-Apotheken haben vom vorübergehenden Corona-basierten Nachfrage-Boom nach OTC-Produkten stärker profitiert als die Versandapotheken. Das geht aus einer Marktanalyse von Sempora Consulting in Kooperation mit Insight Health und DatamedIQ hervor. Seit Ende Februar 2020 ist der OTC-Markt im Vergleich zum Vorkrisenzeitraum stark gewachsen – noch stärkeres Wachstum wurde teilweise durch Lieferengpässe verhindert.
Eine Peak-Woche hinsichtlich der OTC-Nachfrage in stationären Apotheken und im Apothekenversandhandel war demnach die Woche vom 10.-17. März 2020. Hier zeigt sich in der Analyse ein Wachstum des Umsatzes nach realen Verkaufspreisen (AVP) von 46 Prozent im Vergleich zur Vor-Coronaperiode (8.-28. Januar 2020). Noch stärker als im Versandhandel waren dabei die Umsatzzuwächse in der stationären Apotheke: Hier legten die Umsätze um 51 Prozent zu, während der Versandhandel „nur“ um 21 Prozent stieg.
Allerdings ist der Boom bereits wieder ausgelaufen: In der letzten März-Woche lagen die Umsätze insgesamt um 12 Prozent unter der Vor-Corona-Zeit. Hier büßten die Vor-Ort-Apotheken mit minus 15 Prozent deutlich mehr Umsatz ein als der Versandhandel, der nur 5 Prozent unter den Vor-Corona-Umsatz rutschte. Verschärfte Ausgangsregeln, weniger Arztbesuche und das Ende einer intensiven Bevorratungszeit hätten das OTC-Wachstum vorerst gestoppt, analysiert Sempora. Ob damit die Phase der Corona-Vorzieheffekte bereits beendet sei, müsse weiter beobachtet werden.
Die Studie wertete auch unterschiedliche Produkt-Kategorien aus: Es kam demnach im März 2020 zu Umsatzsteigerungen vor allem in Kategorien wie Desinfektionsmittel, Immunsystem und Vitamine, Expectorantien sowie Analgetika. Keine vergleichbaren Effekte zeigen sich dagegen etwa bei Antirheumatika, Gesichtspflege und Antacida.
Auch bei den Preisen zeigen sich Unterschiede zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versandhandel: Laut Sempora gab der Versandhandel im März deutlich niedrigere Rabatte als in den Vormonaten – mit dem Effekt steigender Durchschnittspreise. Preiserhöhungen habe die stationäre Apotheke nur in ausgesuchten Kategorien wie Desinfektionsmitteln vorgenommen, so Sempora. Insgesamt lägen die Preise in Versandhandel jedoch weiterhin deutlich unter denen in. der Offizin. Absoluter Umsatzrenner waren Antiseptika und Desinfektionsmittel, die auf 250 Prozent gegenüber der Vor-Corona-Zeit zulegten. Produkte zur Stärkung des Immunsystem und Vitamine verdoppelten ihren Umsatz. In den Vor-Ort-Apotheken legten alle Nicht-Rx-Produkte in unterschiedlicher Weise zu. Bei den Versendern gab es im März allerdings auch Umsatzverlierer: Antirheumatika, Gesichtspflege und Körperpflege verloren an Umsatz im einstelligen Prozentbereich.
Nach Daten von Insight Health gab es in den Apotheken im März auch im Rx-Bereich eine Achterbahnfahrt: Nach Angaben von Insight Health schoss der Rx-Absatz in der dritten Märzwoche um 52 Prozent gegenüber der ersten Märzwoche in die Höhe. Einen solchen Anstieg gab es noch niemals zuvor. Allerdings sank in der vierten Märzwoche der Rx-Absatz wieder, lag aber immer noch klar über dem Vorjahreswert. Laut Insight Health zeigt sich darin der oft beschriebene Vorzieheffekt: Insbesondere Chroniker versorgten sich angesichts der heraufziehenden Corona-Krise zum Quartalsende nochmals mit den notwendigen Arzneimitteln.
Der Corona-Effekt setzte sich auch nach Daten des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) erst im März durch. Im Januar und Februar lagen die Anstiege noch im Normalbereich: Im Januar steigt der Rx-Umsatz in den Apotheken noch um 5,36 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro und im Februar um 5 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro jeweils gegenüber dem Vorjahr. Damit lagen die Rx-Ausgaben der Krankenkassen allerdings über dem für 2020 zwischen Kassenärzten und GKV-Spitzenverband vereinbaren Korridor von 4,2 Prozent. Für das Gesamtjahr prognostiziert der DAV Arzneimittelausgaben zulasten der Krankenkassen von gut 39 Milliarden Euro.