ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Von einem, der auszog, um Zwietracht zu säen Patrick Hollstein, 05.10.2024 08:10 Uhr

Montage: APOTHEKE ADHOC / Midjourney
Berlin - 

Apotheker, die impfen. Ärzte, die Arzneimittel dispensieren. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) treibt seine „Zeitenwende im Gesundheitswesen“ mit Hochdruck voran. Doch weder das eine noch das andere kann unter den Rahmenbedingungen funktionieren – und es soll wohl auch nicht. Es geht allein um Macht und darum, sie zu brechen. In der Verlängerung den Sieg erzwingen, lautet die Devise. [Aus dem Off erklingt diabolisches Lachen]

Zunehmend beschleicht einen das Gefühl, dass unter dem amtierenden Gesundheitsminister kein Stein auf dem anderen bleiben soll. Lauterbach beschwört bei seinen Reformvorhaben gerne ein Untergangsszenario herauf, das nur durch sein beherztes Eingreifen verhindert werden kann. Als ob im Gesundheitswesen nichts mehr funktionieren würde, werden unabgestimmt immer neue Ideen lanciert: Kliniken sollen zu primärärztlichen Versorgungszentren werden, Apotheken zu apothekerlosen Abgabestellen, Ärzte zu notfalldienstlichen Dispensateuren.

Sich vorab einmal mit den Beteiligten abzusprechen, weiß Lauterbach tunlichst zu vermeiden. Zu viele Köche verderben den Brei. Und weil sich so kaum eine Idee im Alltag mangels Praxistauglichkeit umsetzen lassen wird, kommt immer mehr der Verdacht auf, dass es eigentlich um Destablisierung geht. So wie sich DocMorris einst als „kreativer Zerstörer“ feiern ließ, ohne nachher je den Beweis der Kreativität anzutreten, geriert sich Lauterbach als Minister, der die Zustände überhaupt erst herbeiführt, von denen er die Branche dann befreien will.

Und so sollen künftig Notfallmediziner zu nachtschlafener Zeit dringend benötigte Arzneimittel an ihre Patientinnen und Patienten aushändigen. Die Notdienstapotheke – nicht zu verwechseln mit der Notfallapotheke, die aber nur bis 21 Uhr erreichbar – hat so Zeit, neue Dinge auszuprobieren: Sie impft bis spät in die Nacht hinein, macht pDL oder prüft die Herzwerte von Versicherten, damit sie am nächsten Tag wieder ihrem defizitären Regelbetrieb nachgehen kann: gegen Lieferengpässe kämpfen, Retaxschreiben beantworten oder verschwundenen E-Rezepten auf die Spur kommen.

Selbst eingefleischte Lauterbach-Fans wissen derzeit nicht mehr so recht, wo man in der Gesundheitspolitik gerade steht und welche Vorschläge jetzt eigentlich umgesetzt werden sollen. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt etwa lud in dieser Woche zu einer Diskussion über die Apothekenreform nach Herborn ein, ohne dass sie irgendeinen neuen Kenntnisstand hatte. Man könnte man doch einmal über eine Vorhaltepauschale nachdenken, wie sie gerade bei den Kliniken geplant sei, ließ sie wissen – ohne eine Idee zu haben, wie ein solches Modell genau aussehen könnte. Und Martina Stamm-Fibich, die sie als Expertin mitgebracht hatte, gab sich zuversichtlich, dass man das mit der PTA-Vertretung irgendwie schon noch hinkriegen wird, wenn das parlamentarische Verfahren erst einmal beginnt.

Zu diesem Zweck will sich die Abda einen Gesprächskanal offen halten, „bleiben Sie weiter mutig und tapfer und geschlossen!“ Beim Deutschen Apothekertag (DAT) werden als Zeichen des Protests diesmal Kittel getragen, danach will man entscheiden, ob man diese auch noch einmal auf die Straße bringen soll.

In Hessen wollen sich die Apothekerinnen und Apotheker nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen, weder von der Politik noch von der eigenen Standesvertretung. Zur Kammerwahl im November tritt eine neue Liste 7 an. Dr. Shamim Eckert und ihre Mitstreitenden wollen Kammerpräsidentin Ursula Funke stürzen. „Ein ‚Weiter so‘ darf es nicht geben. Wir brauchen frischen Wind“, so Eckert. Daher tritt ihre Team auch unter dem Namen „Team Neustart – Auswechseln. Aufbruch. Aufschwung zusammen!“ an.

Und einen Neustart erhoffen sich auch die Versender – nämlich durch das E-Rezept. Zwar sind die Zahlen immer noch alles andere als berauschend, aber mit massivem Werbedruck lässt sich anscheinend der eine oder andere Umsatz erkaufen. Alleine Redcare hat einen zweistelligen Millionenbetrag dafür locker gemacht, dass Promijoker Günther Jauch weiterhin zur besten Sendezeit seine eigene Glaubwürdigkeit zerschreddern kann. In diesem Sinne: Schönes Wochenende!