Wahlen

Völlig irre? CDU diskutiert über Kanzlerkandidatur

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Berlin -

Es ist keine Debatte, die Annegret Kramp-Karrenbauer gefallen kann. Kaum ist die Diskussion über die Patzer der CDU-Chefin
im Umgang mit dem Anti-CDU-Video des Youtubers Rezo und der Klimadebatte abgeflaut, steht AKK schon wieder im Fokus heftigen parteiinternen Wirbels. Ist sie die richtige Kanzlerkandidatin für den Fall einer vorgezogenen Neuwahl womöglich schon im kommenden Frühjahr – oder wie regulär geplant 2021? Und ganz generell: Wäre eine Urwahl, also ein Votum der Parteimitglieder, nicht die transparenteste Lösung zur Bestimmung der oder des Kandidaten?

Die pfingstliche Ruhe ist bei der Union jedenfalls am Dienstag mit einem Schlag vorbei. Das hat zwei Gründe: Zum einem legt sich Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) in der K-Frage überraschend früh und deutlich fest. Auf die Frage, ob AKK rasch ins Kabinett wechseln solle, sagt er der Deutschen Presse-Agentur, die Vorsitzende habe mit der Neuaufstellung der CDU viel zu tun. „Und sie wird auch unsere nächste Kanzlerkandidatin sein.“ Nicht könnte. Nicht dürfte. Wird. Den zweiten Grund liefert die ultrakonservative Werte-Union: Sie fordert eine Urwahl des nächsten Kanzlerkandidaten.

Die Aufregung um die Brinkhaus-Äußerung liegt auch daran, dass sich die Union angesichts der mächtig wackelnden SPD offensichtlich darauf verständigt hat, nicht von einem vorzeitigen Ende der regulär bis 2021 dauernden Legislatur zu reden. Zum einen will man vermeiden, dass CDU und CSU im Fall einer dennoch vorgezogenen Neuwahl im nächsten Frühjahr als derjenige Partner dasteht, der die Koalition verlassen hat. Die eigenen Anhänger würden einen solchen Schritt kaum goutieren, heißt es da. Diesen Schwarzen Peter sollen doch bitte die Sozialdemokraten als Ballast mit in eine Neuwahl nehmen.

Zum anderen weiß keiner so genau, ob die Grünen bei einer raschen Neuwahl nicht tatsächlich an der Union vorbeziehen. Zumal die Grünen in den Umfragen zum Teil sogar deutlich vor der Union liegen – und selbst Kramp-Karrenbauer einräumt, so richtig kampagnenfähig für einen Wahlkampf sei man nicht.

„Da werden Karten gemischt, die noch gar nicht auf dem Tisch liegen“, sagt fassungslos ein wichtiger CDU-Mann, der lieber nicht genannt werden will, über die K-Diskussion. Also bemühen sich viele, die in der Union Rang und Namen haben, die Diskussion über den richtigen Kanzlerkandidaten totzutreten.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, in der Partei als stellvertretender Vorsitzender hoch angesehen, betont, die CDU-Chefin habe das Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. „Das war immer so und das bleibt auch so.“ Der Chef des Unions-Wirtschaftsflügels, Carsten Linnemann (CDU), schlägt in die gleiche Kerbe und betont das Erstzugriffsrecht von Kramp-Karrenbauer.

CDU-Strategen rätseln darüber, was Brinkhaus zu seiner Festlegung getrieben hat. Er habe AKK bei deren Wahl zur Vorsitzenden ja unterstützt und wohl die Debatte über ihre Fähigkeiten zu ihren Gunsten beenden wollen, meinen manche. Von einem verbalen Unfall reden andere – er habe ihr damit einen Bärendienst erwiesen und die Debatte über ihre Eignung erst Recht eröffnet.

Andere mutmaßen, Brinkhaus hoffe darauf, dass Kramp-Karrenbauer seine erneute Kandidatur für die Fraktionsspitze unterstützen werde, wenn sie erstmal Kanzlerin sei. Zudem habe der Westfale wohl im Hinterkopf gehabt, dass mit Regierungschef Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn zwei weitere Nordrhein-Westfalen als Alternativen gelten, falls AKK doch jemand anderem den Vortritt geben muss – etwa nach desaströs verlorenen Wahlen im Osten.

Laschet hatte schon über Pfingsten für Schlagzeilen gesorgt, als er der „Welt am Sonntag“ sagte, mit Kramp-Karrenbauers Vorsitzendenwahl sei noch keine Entscheidung über die nächste Kanzlerkandidatur verbunden. Zumal sie selbst gesagt habe, diese Frage sei auf dem Parteitag Ende 2020 zu entscheiden. Manche nahmen das als weiteren Nadelstich gegen AKK wahr. Laschet gilt etlichen auch deshalb als möglicher Kanzlerkandidat, weil er den größten CDU-Verband führt.

Auch CSU-Chef Markus Söder sieht derzeit keinen Bedarf für eine Festlegung bei der Kanzlerkandidatur. „Das entscheiden CDU und CSU zu gegebener Zeit“, antwortet er gebetsmühlenartig auf entsprechende Fragen. Da er selbst jedoch nach eigener Aussage keinerlei Ambitionen hat und AKK sehr schätzt, dürfte Söder die Saarländerin unterstützen. Doch in der CSU halten viele den größten Widersacher von Kramp-Karrenbauer im Kampf um die CDU-Spitze, Friedrich Merz, eigentlich für den besseren Kanzlerkandidaten.

Nicht nur Brinkhaus sorgt für Aufregung in der CDU – auch die ultrakonservative Werte-Union gießt mal wieder Öl ins Feuer. Der Chef dieser Unions-Splittergruppe, Alexander Mitsch, fordert eine Urwahl des Kanzlerkandidaten durch die Mitglieder. Viel Rückhalt bekommt Mitsch dafür allerdings zunächst nicht. In der Union wurde ihm unter anderem entgegen gehalten, eine solche Mitgliederbefragung sei schon deshalb nicht so einfach, weil die kleine Schwesterpartei CSU dann womöglich nicht ausreichend eingebunden werden könnte.

Eine glasklare Meinung zu all dem hat Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz parat. Was mache die CDU beispielsweise, wenn es nicht zwei, sondern drei Kandidaten bei einer Urwahl gebe – und das Ergebnis nicht eindeutig ausfalle, fragt er rhetorisch am Rande einer Buchpräsentation in Köln. Und zur Kandidatendebatte hat er nur die Worte übrig: „Das ist eine völlig irre Diskussion. Punkt.“

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