Am 17. Juli 2019 hatte das Bundeskabinett das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) beschlossen. Seitdem liegt es auf Eis. Die Bundesregierung hat die Einbringung ins Parlament mit dem Verweis auf die ausstehende Stellungnahme der EU-Kommission zum darin enthaltenen Rx-Boni-Verbot bislang zurückgehalten. Das ändert sich nun. Nach der Sommerpause soll das VOASG jetzt im Bundestag beraten werden. Eine Anhörung dazu ist für den 16. September geplant.
Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC einigten sich heute die Gesundheitspolitiker der Regierungskoalition mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf diesen neuen Beratungsfahrplan. Damit kommt nach monatelangem Abwarten wieder Bewegung in die bundespolitische Antwort auf das EuGH-Urteil von Oktober 2016. Zuletzt hatte Spahn erneut mit EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton über das Rx-Boni-Verbot gesprochen. Ein Ergebnis liegt immer noch nicht vor. Spahn hatte lediglich bestätigt, dass die Gespräche wieder aufgenommen worden seien und „gut und konstruktiv“ verliefen. Ihm sei es lieber Ergebnisse zu präsentieren als Zwischenstände, so Spahn. Aus Koalitionskreisen war zu hören, dass Spahn signalisiert habe, mit der EU-Kommission auf gutem Wege zu sein. Daraufhin habe man sich entschlossen, das VOASG in den Bundestag einzubringen. Vor der Anhörung im Gesundheitsausschuss steht somit Anfang September die 1. Lesung im Bundestag an.
Ob Ergebnisse aus Brüssel bis zur Anhörung vorliegen, muss abgewartet werden. Auf jeden Fall vorliegen soll aber das vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte IGES/DIW-Gutachten zur Auswirkung der Preisbindung auf den Apothekenmarkt. Ende 2019 hatte das BMG das Gutachten zur teilweisen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung und der Gewährung von Rx-Boni in Auftrag gegeben mit dem Ziel, das VOASG zu retten. „Wir brauchen Daten, um vor Gericht und in Brüssel zu bestehen“, sagte damals ein BMG-Sprecher.
Denn es herrschten immer noch berechtigte Zweifel daran, dass die EU-Kommission das geplante Rx-Boni-Verbot im GKV-Sektor absegnen werde. „Die Bundesregierung befindet sich zurzeit zum Gesetzentwurf in der Kabinettfassung in Abstimmungsgesprächen mit der Kommission“, so das BMG damals. „Das beauftragte Gutachten zur Bedeutung der Preisbindung für den Apothekenmarkt und für das gesamte Gesundheitswesen in Deutschland unterstützt die Gesetzesinitiative von Bundesminister Spahn mit empirischen Daten.“ An dieser Aussage hat sich in den letzten sechs Monaten so gut wie nichts geändert.
Spannend werden dürfte daher die VOASG-Beratung im Bundestag. Zuletzt hatten sich wieder mehr Gesundheitspolitiker der Union zu Wort gemeldet und angesichts der Hängepartie mit der EU-Kommission die Rückkehr zum Rx-Versandhandelsverbot gefordert. „Gerade in der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass nur auf die Vor-Ort-Apotheken Verlass ist. Desinfektionsmittel gäbe es ohne die vielen Apotheken nicht in ausreichender Menge. Wir sind bei den Apothekern in der Pflicht, bis zum Ende der Legislaturperiode zu liefern. Wenn die EU-Kommission nicht zu Potte kommt, dann sollten wir das Versandhandelsverbot so umsetzen, wie es im Koalitionsvertrag steht. Wenn nicht zügig die Preisgleichheit gesetzlich festgelegt werden kann, dann müssen wir wieder über das Versandhandelsverbot reden“, forderte beispielsweise der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß.
Das Rx-Versandverbot findet zudem nach wie vor Unterstützung bei den Ländern. Unmittelbar vor dem letzten Deutschen Apothekertag (DAT) 2019 in Düsseldorf hatte der Bundesrat beim ersten Durchgang des VOASG in der Länderkammer erneut für die Einführung eines Versandverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel gestimmt. Die Änderungsempfehlung der Länder sah die Umsetzung des Rx-Versandverbots durch eine Änderung von § 43 AMG vor. Darin heißt es: „Arzneimittel [...], die nicht [...] für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen [...] berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz.“ Gestrichen werden soll „ohne behördliche Erlaubnis“. Damit wäre der Versand verboten.
Dies hatte es auf dem DAT eine kontroverse Debatte um die Rückkehr der Abda zur aufgegebenen Rx-VV ausgelöst. Daraufhin hatte ein sichtlich verärgerter Spahn dem DAT die Leviten gelesen: „Wenn Sie mir die Botschaft mitgeben, der Bundesrat kann das besser, dann stelle ich die Dinge in Berlin ein. Das meine ich ernst“, sagte Spahn mit Blick auf den DAT-Beschluss zum Rx-Versandverbot. Spahn machte erneut deutlich, dass er das Rx-Versandverbot für offensichtlich europarechts- und verfassungswidrig hält. Jetzt gehe es jetzt darum, „das möglich zu machen, was möglich ist“. Er gehe übrigens davon aus, dass sich mit dem Thema nochmals ein europäisches Gericht beschäftigt. Im Übrigen gebe es gegen das Rx-Versandverbot auch Bedenken in anderen Ressorts der Bundesregierung. „Es ist das eine, eine politische Deklaration zu verfassen oder ein rechtssicheres Gesetz zu machen“, sagte Spahn. Ob das möglich ist, muss die VOAG-Beratung im Parlament erst noch zeigen.
APOTHEKE ADHOC Debatte