Bundesgerichtshof

Vitalsanas Schlecker-Erbe Alexander Müller, 18.07.2012 14:31 Uhr

Berlin - 

Während die Drogeriekette Schlecker aus Deutschlands Innenstädten verschwindet, hat das Tochterunternehmen Vitalsana noch eine wichtige Schlacht zu schlagen: Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) geht es am morgigen Donnerstag um die Frage, ob die Versandapotheke teilweise von Deutschland aus betrieben wurde. Weil die niederländische Firma eine Kapitalgesellschaft ist, wäre dies ein Verstoß gegen das Fremdbesitzverbot.

 

In dem von der Wettbewerbszentrale angestrebten Verfahren ging es ursprünglich nur um Werbemaßnahmen und die kostenpflichtige Hotline der Versandapotheke. Auf Antrag von Vitalsana wurde das Verfahren vom Landgericht Stuttgart nach Ulm verlegt.

Die Begründung der Vitalsana-Anwälte: Geschäftsführer Klaus Hübner habe am Stammsitz von Schlecker in Ehingen ein Büro. Zu seinen Aufgaben zählten demnach Marketingmaßnahmen, Verhandlungen sowie Vertragsabschlüsse mit Lieferanten, Krankenkassen, Dienstleistern und Logistikpartnern.

Die Wettbewerbszentrale hatte daraufhin ihre Klage erweitert. Vitalsana entfalte einen „maßgeblichen Teil ihrer Geschäftsaktivitäten als Apotheke von Deutschland aus“, so der Vorwurf. Beanstandet wurde auch ein Call-Center im baden-württembergischen Kornwestheim, von dem aus Bestellungen angenommen und Kunden der Versandapotheke beraten wurden.

„Soweit ersichtlich, beginnt allenfalls die Distribution der Arzneimittel von den Niederlanden aus. Selbst dies ist jedoch nicht sicher“, so die Wettbewerbszentrale in ihrer Klage.

 

 

Schlecker hatte seinerzeit auf Nachfrage erklärt, dass die pharmazeutisch relevanten Prozesse am Sitz von Vitalsana im niederländischen Heerlen abgewickelt würden. Rein administrative Unterstützung, wie etwa Marketing und Einkaufsverhandlungen, stellten keine pharmazeutischen Tätigkeiten dar und bedürften keiner Apothekenerlaubnis, so die Argumente der Drogeriekette.

In der ersten Instanz hatte Vitalsana in dieser Frage noch gewonnen. Das Landgericht Ulm hatte im Mai 2010 ausgeführt, selbständige gewerbliche Niederlassungen im Ausland seien im niederländischen Recht nicht geregelt und eine „Teilbetriebserlaubnis“ in Deutschland nicht vorgesehen.

Verboten hatte das Landgericht dagegen Werbung auf Bestell- und Abholscheinen von Schlecker, bei der nicht klar zwischen der Drogeriekette und Vitalsana unterschieden wurde. Auch das obligatorische Mitschneiden der Beratungsgespräche wurde der Versandapotheke untersagt.

Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte die Entscheidung im Februar 2011 abgeändert: Vitalsana betreibe in Deutschland eine Apotheke ohne Betriebserlaubnis. Die Richter hatten keinen Zweifel, dass die Aktivitäten der Versandapotheke „im Kernbereich der Apothekentätigkeit liegen und unmittelbar dem pharmazeutischen Bereich unterfallen“. Zudem hatte das Gericht der Schlecker-Tochter verboten, eine pharmazeutische Beratung nur über eine kostenpflichtige Hotline anzubieten.

 

 

Wie sauber eine Versandapotheke ihre Werbung von der Drogeriekette mit Pick-up-Stellen trennen muss, ist im konkreten Fall nicht mehr allzu interessant. Mit der Schlecker-Pleite ist auch das Pick-up-Konzept derzeit ausgebremst.

Trotzdem ist die Entscheidung für künftige Kooperationen von Vitalsana oder das vergleichbare Konzept der Europa Apotheek Venlo (EAV) mit der Drogeriekette dm von Bedeutung. Mit Spannung erwartet wird aber vor allem, wie der BGH die Aktivitäten von Vitalsana in Deutschland bewertet – denn davon ist mittelbar die Frage des Fremdbetriebs berührt.

Die Schlecker-Pleite selbst hat auf das Verfahren keinen Einfluss. Da Vitalsana formal die Tochter der spanischen Auslandsgesellschaft ist, war die Versandapotheke von der Insolvenz nicht betroffen. Beim BGH hat man daher keine Befürchtungen, dass das Verfahren nicht geführt werden kann. Bislang liegen hierzu auch keine Anträge vor. Die Verhandlung ist auf Donnerstag 9 Uhr angesetzt, eine Entscheidung wird möglicherweise noch am selben Tag gefällt.