Virchowbund fordert „Praxiszukunftsgesetz“ Lilith Teusch, 05.03.2024 11:39 Uhr
Das deutsche Gesundheitswesen muss krisenfester werden. So jedenfalls die Aussage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Einen Gesetzentwurf will der Minister bereits im Sommer vorlegen. Damit das gelinge, sei es unbedingt notwendig, die Arztpraxen zu stärken, so Dr. Dirk Heinrich vom Virchowbund. Er fordert ein „Praxiszukunftsgesetz“.
Der Bundesgesundheitsminister spricht von nicht weniger als einer „Zeitenwende im Gesundheitswesen“. Insbesondere die Versorgung von Verletzten und Verwundeten müsse klar geregelt werden. Zentralisierte Strukturen aber seien anfälliger für Angriffe und damit für einen flächendeckenden Ausfall, warnt Heinrich. Für eine sichere Versorgung wäre daher das dezentrale Netz aus rund 100.000 Arztpraxen in Deutschland ein strategischer Vorteil. „Diesen sollten wir uns unbedingt erhalten“, sagt Heinrich. „Dazu müssen wir nach Jahren der politischen Schwächung die Praxen endlich wieder stärken.“
Zentrale Rolle in der Pandemie
Während der Corona-Pandemie hätten Arztpraxen eine zentrale Rolle sowohl in der Patientenversorgung als auch bei der Covid-Impfung eingenommen. Sie seien ein entscheidender Faktor gewesen, der die Krankenhäuser vor der Überlastung geschützt habe. Um eine Milliarde Patientenkontakte pro Jahr stemmen zu können, hätten die Mitarbeitenden auch Überstunden geschoben, so Heinrich. Dieser Einsatz sei von Seiten der Politik nie ausreichend gewürdigt worden: MFA hätten keinen Corona-Bonus erhalten.
Der Virchowbund fordert zur Stärkung der Arztpraxen ein „Praxiszukunftsgesetz“, das folgende Punkte abdecken soll:
- Abschaffung der Budgets im ambulanten Sektor
- Abschaffung der Regresse
- volle Gegenfinanzierung der Kosten für die digitale Transformation (sowohl Hardware- als auch Prozesskosten, zum Beispiel für Schulungen)
- sofortige und volle Gegenfinanzierung der Tarifsteigerungen für Medizinische Fachangestellte
- Förderung der Niederlassung in Einzelpraxen und ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften und Schutz vor Konzentrations- und Monopoltendenzen durch investorengetriebene Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
- Bürokratieabbau, um die Arbeitsbelastung zu senken und mehr Arztzeit für die tatsächliche Patientenversorgung zu gewinnen
- Ausbau und Finanzierung der ambulanten Weiterbildung Protokollierte regelmäßige Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagementübungen (Lükex) mit anschließender Auswertung und Weiterentwicklung
Sanitätsdienst der Bundeswehr
Zudem sei die geplante Umstrukturierung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr problematisch. Die bisherige Struktur habe sich als äußerst effiziente und krisenerprobt erwiesen. „Bislang hat die Bevölkerung von der engen Zusammenarbeit zwischen zivilem und militärischem Medizinpersonal profitiert. Das droht mit der Umstrukturierung zerstört zu werden. Praxen, Kliniken, Sanitätsdienst, aber zum Beispiel auch Apotheken und Gesundheitsämter – jede Maßnahme, die eine Säule der Versorgung empfindlich schwächt, schadet uns allen“, warnt Heinrich.