Glaeske: Auf die Qualität kommt es nicht an Alexander Müller, 02.06.2014 09:40 Uhr
Testen die einschlägigen TV-Magazine Apotheken, ist sehr oft Professor Dr. Gerd Glaeske mit dabei. Unter Apothekern ist er deshalb nicht überall beliebt. Will er aber auch gar nicht sein. Der Gesundheitsökonom ist selbst Apotheker und wünscht sich einen Wettbewerb um Qualität. Aus seiner Sicht müssten schlechte Apotheken auch weniger verdienen als gute. Im Video-Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt er, wie er das Honorar verändern will, was er von den Apotheken erwartet und warum Apothekentests wichtig sind.
Glaeske will die Apotheken nicht pauschal schlecht machen: „Ich würde den Apothekern nie eine gemeinsame Schulnote geben: Es gibt Apotheken, denen ich ohne Zweifel eine 1 oder 2 geben würde, aber es gibt eben leider auch viele Apotheken, die eine 5 oder 6 verdient hätten.“ Diese Unterschiede beim persönlichen Engagement und in der Qualität der Beratung würde Glaeske gerne auch in der Honorierung differenzieren: „Apotheken, die das prima machen, sollen auch anders honoriert werden als Apotheken, die in dem Bereich versagen.“
Dass es sich Apotheken heute leisten könnten, mangelhaft oder sogar ungenügend zu beraten, ist Glaeske zufolge ein Indiz dafür, dass sie insgesamt zu viel verdienen: „Die Apotheken konnten sich in dem System offensichtlich so einrichten, dass es nicht mehr auf Qualität ankommt.“ Hier sieht der Gesundheitsökonom eine „Unwucht“ im Markt.
Alternative Vergütungsmodelle kann sich Glaeske etwa für Apotheken vorstellen, die nach den Vorgaben der klinischen Pharmazie beraten. Kleine Landapotheken sieht er dabei nicht systematisch im Nachteil: „Ich glaube, dass in der großen Stadtapotheke in Lauflagen oftmals viel weniger informiert wird. Da geht das Ruck-Zuck und es wird verkauft.“ Jede Apotheke könne sich als „Referenz für Gesundheitsfragen“ etablieren.
In dieser Funktion sind die Apotheker Glaeske zufolge „unerlässlich“. Informationen aus dem Internet seien unzuverlässig, beim Arzt würden bestimmte Dinge nicht angesprochen. Die Patienten benötigten eine Ebene, auf der sie medizinische Fachfragen klären könnten. Genau das könnten Apotheken übernehmen – und müssten dann entsprechend vergütet werden: „Das ist eine Möglichkeit, sich finanziell abzusichern und dies könnte über ein Honorar möglich sein.“
Im Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen, dem Glaeske in der Ära von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) angehörte, sei schon einmal angedacht worden, einen Unterschied in der Bezahlung von Apotheken zu machen. „Aber das trifft auf den erheblichen Widerstand in der Apothekerschaft, die eben nicht wollen, dass schon nach außen ein Unterschied sichtbar wird“, so Glaeske.
Die Apotheker versuchen aktuell, beim Medikationsmanagement einen Fuß in die Tür zu bekommen. Glaeske traut das den Pharmazeuten in der Breite nicht zu: Es werde sicherlich Apotheker geben, die aufgrund von Weiterbildungen eine entsprechende Beratung leisten könnten, aber eben nicht alle. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen müssten prüfbar sein.
Um ein möglichst objektives Bild von der Qualität der Apotheken zu erhalten, wünscht sich Glaeske kontinuierliche Apothekentests. Viele Apothekerkammern würden dies bereits praktizieren. „Nur, es hat keine Konsequenz. Ich weiß von Kammern, dass grundsätzlich immer ein Fünftel bis ein Viertel der Apotheken schlecht abschneidet. Nach der Konsequenz gefragt, hat mal ein Kammerpräsident gesagt, er würde diese Apotheken am liebsten im Sinne eines Warnschusses für eine Woche schließen, damit dort eine Weiterbildung geschehen kann.“ Die Möglichkeiten der Qualitätssicherung müsse zum kontinuierlichen Anforderungsgegenstand der Kammern werden, fordert Glaeske. „Die Kammern haben sich darum zu kümmern, wie die Qualität in der Apotheke ist.“
Dass er selbst bei vielen Apothekentests der einschlägigen TV-Magazine mit an Bord ist, hat laut Glaeske einen einfachen Grund: „Ich komme deshalb zu Wort, weil ich möglicherweise erstens sehr viel aus dem Innenbereich weiß – in meiner Familie gibt es Apotheken – und zum Zweiten bin ich vielleicht auch jemand, der sich als einer der wenigen wissenschaftlich mit diesem Thema beschäftigt hat.“ Seine „distanziert kritische Haltung“ sei möglicherweise nicht immer so, „wie sich manche aus dem Stand das vorstellen“. Das sei aber wichtig, um eine Diskussion im Gang zu halten.
Von der Großen Koalition erwartet Glaeske im Apothekenmarkt keine großen Aktionen: „Ich glaube, dass die Apotheken relativ ruhig dastehen und darum auch die Chance haben, sich selber zu verändern und zu verbessern.“ Die Leitbilddiskussion habe dabei sicher auch eine gewisse Relevanz, auch wenn ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sehr dafür kritisiert worden sei. Dennoch sei es richtig, diese Diskussion zu beginnen: „Was können die Apotheken, was wollen die Apotheken und was bieten die Apotheken?“