Um Altersarmut zu bekämpfen, nimmt die Große Koalition Selbstständige ins Visier: Die Union will sie dazu verpflichten, sich für das Alter finanziell abzusichern, die SPD plant sogar eine gesetzliche Rentenversicherungspflicht. Ausnahmen soll es weiterhin geben, wenn jemand Mitglied in einem Versorgungswerk ist. Peter Hartmann, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV), traut dem Braten nicht. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt er, wo die Probleme für die Apotheker liegen.
ADHOC: Die SPD will eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige. Eine gute Idee?
HARTMANN: Gegen das Ziel, Altersarmut bei Selbstständigen zu verhindern, lässt sich nichts sagen. Das Ganze klingt gut, ist aber nicht zu Ende gedacht.
ADHOC: Inwiefern?
HARTMANN: Da sind viele Fragen offen. Zudem habe ich starke Zweifel, dass sich gerade bei Kleinstunternehmern, die man ja im Fokus hat, viel holen lässt. Viele zahlen ja nicht deshalb nicht in eine Rente ein, weil es ihnen so gut geht, sondern in der Regel, weil sie es sich nicht leisten können. Hier sind auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zu stemmen.
ADHOC: Können Sie Entwarnung für Apotheker geben, da die Freien Berufe ja ausgenommen werden sollen?
HARTMANN: Nein. Viel zu viele Dinge sind ungeklärt – allen voran die Grundsatzfrage: Sollen nur Selbstständige einbezogen oder eine allgemeine Erwerbstätigenversicherung eingeführt werden? Müssen selbstständige Apotheker künftig nachweisen, dass sie berufsspezifisch tätig sind? Falls ja, sehe ich massive Abgrenzungsprobleme auf uns zukommen.
ADHOC: Inwiefern?
HARTMANN: Schon bei den Nichtselbstständigen wird bei jedem Wechsel des Arbeitgebers eine umfassende Prüfung verlangt, ob es sich um eine pharmazeutische Tätigkeit handelt. Das ist oft ein echter Ritt für alle Beteiligten. Hier wurde nach langem Ringen eine Lösung gefunden, dass für die Befreiung ein Stellenprofil vorgelegt wird. Wie soll das bei Selbstständigen gehen? Hier gibt es ja noch nicht einmal einen Arbeitsvertrag, den man zugrunde legen kann.
ADHOC: Wie könnte eine Lösung aussehen?
HARTMANN: Ganz wichtig wäre eine einfache Regelung zur Versicherungspflicht. Zum Beispiel: Wer in einem Versorgungswerk ist, muss nicht zusätzlich in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Wir brauchen ein verlässliches, einfaches und kostengünstiges Verfahren. Sonst kollabiert übrigens auch die Verwaltung.
ADHOC: Wie viele Personen wären betroffen?
HARTMANN: In der Politik kursiert die Zahl von 2,3 Millionen Selbstständigen ohne direkte Anbindung an ein Rentensystem. Von unseren rund 850.000 Mitgliedern ist etwa die Hälfte selbstständig tätig.
ADHOC: Bei Apothekenleitern sollte diese Frage klar sein.
HARTMANN: Man weiß nie. Theoretisch könnte die Rentenversicherung Nachweise über die verschiedenen Einkunftsarten verlangen – Erträge aus einem Reformhaus, das neben der Apotheke betrieben wird, könnten dann versicherungspflichtig sein. Im Extremfall könnte sogar der Apothekenbetrieb aufgesplittet werden in den medizinischen Bereich und das Randsortiment.
ADHOC: Klingt ziemlich abstrus.
HARTMANN: Dass die Freien Berufe nicht betroffen sind, halte ich für reine Lippenbekenntnisse. Ich befürchte, dass hier ganz neue Debatten aufgemacht werden sollen. Sie dürfen nicht vergessen, dass es nach wie vor mächtige Strömungen gibt, die eine Einheitsversicherung für alle Beschäftigten fordern – nehmen Sie beispielsweise die IG Metall. Zunächst sollen diejenigen geholt werden, die nicht anderweitig rentenversichert sind. Scheibchenweise, so ist zu befürchten, sollen dann alle einbezogen werden, womöglich bis hin zum Beamten.
ADHOC: Wäre das realistisch?
HARTMANN: Aus unserer Sicht nicht. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags ist schon vor Jahren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Abschaffung der Versorgungswerke wie ein enteignungsgleicher Eingriff wäre. In dem Bereich, der über Umlage finanziert wird, müsste der Staat daher die entstehende Lücke ausgleichen. Wir gehen davon aus, dass es für einen Zeitraum von mindestens 30, eher 60 Jahren zu einer Doppelfinanzierung käme. Bei den Beamten wäre die Einbeziehung noch komplizierter, da hier mit der Alimentation eine ganz andere Systematik greift. Hier sehen wir neben den Grundrechten obendrein die Kompetenzen der Länder tangiert.
ADHOC: Können Sie denn verstehen, dass manche Politiker Selbstständige, Beamte und Freien Berufe gerne in die gesetzliche Rentenversicherung bekommen möchten?
HARTMANN: Nein. Die Einbeziehung von Mann und Maus klingt zwar gut, zumal es hier oft um besser verdienende potenzielle Beitragszahler geht. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass auch die Renten höher sind und wegen der höheren Lebenserwartung doppelt teurer sind. Selbst die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung kam 2011 nur auf einen kurzfristigen Beitragssatzeffekt von deutlich unter einem Prozentpunkt. Langfristig sorgt die Lebenserwartung jedoch für deutlich höhere Ablaufleistungen. Wer Freiberufler wie Apotheker einbezieht, belastet die Rentenversicherung langfristig für kleine, kurzfristige Mehreinnahmen.
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