Wer als Apotheker in der Pharmaindustrie arbeitet, bleibt Apotheker, solange seine Tätigkeiten nicht allzu weit vom Berufsbild entfernt sind. Letzteres ist großzügig auszulegen, entschied das Sozialgericht (SG) Konstanz: Denn auch Inhaber größerer Apotheken bleiben pharmazeutisch tätig, selbst wenn sie kaum noch am HV-Tisch stehen.
„Dass Tätigkeiten in der pharmazeutischen Industrie gegenüber denjenigen einer ‚klassischen‘ Apotheke einer Abwandlung unterfallen, liegt in der Natur der Sache“, heißt es in der jetzt veröffentlichten Begründung des Urteils aus dem Dezember 2015. „Dadurch verlieren sie jedoch nicht ihren Bezug zur Entwicklung, Prüfung und Herstellung von Arzneimitteln. Vielmehr gehören auch Tätigkeiten in der pharmazeutischen Industrie zum Berufsbild eines Apothekers.“
Dabei spielt es aus Sicht der Richter auch keine Rolle, dass auch andere Aufgaben hinzukommen: Auch der Leiter einer größeren Apotheke mit mehreren Filialen bleibe Apotheker, wenn mit der Verwaltung und Teamführung andere Tätigkeiten eines Apothekers verdrängt würden, so die Richter. „Trotz dieser Aufgaben als ‚Manager‘ bleibt er noch im selben Berufsbild, ist dort weiterhin fachlich eingebunden, wie auch ein Rechtsanwalt in einer größeren Sozietät oder der Leiter eines größeren Gerichts sein Berufsbild nicht verliert, wenn für ihn der administrative Tätigkeitsbereich hinzukommt.“
Für die Leitung der Abteilung Projektentwicklung und -implementierung, über die im konkreten Fall gestritten wurde, seien pharmazeutische Kenntnisse erforderlich: So sei während der Entwicklung des jeweiligen Arzneimittels eine pharmazeutisch korrekte, den gesetzlichen Vorgaben konforme Produktion, Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung zu gewährleisten. „Soweit der Kläger betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten berücksichtigen muss, kann er ebenfalls auf Kenntnisse zurückgreifen, die er im Bereich seiner Ausbildung als Apotheker gewonnen hat.“
Keine Rolle spielt es laut Gericht auch, dass der Vorgänger kein Apotheker, sondern Chemiker war. Im Verfahren sei ausreichend dargelegt worden, dass es umfangreicher Erkenntnisse im pharmazeutische Bereich bedürfe, um die vielfältigen Fragestellungen im Bereich der pharmazeutischen, aseptischen Herstellungsprozesse optimal bearbeiten zu können. „Das aus den jeweiligen fachlichen Ausbildungen resultierende Wissen ist also nicht austauschbar. Vielmehr ergänzt sich dieses und wird durch die Tätigkeit in der pharmazeutischen Industrie fortentwickelt.“
Anders als ein Pharmaberater, der lediglich ausreichend Sachkenntnis brauche, um Angehörige der Heilberufe zu informieren, müsse der Leiter der Projektentwicklung in der Lage sein, auf wissenschaftlicher Basis bei der Entwicklung, Verbesserung und Herstellung von Arzneimitteln gestaltend tätig zu sein. Ohne die pharmakologischen Fachkenntnisse könnten Projekte für Neukunden nicht sinnvoll umgesetzt werden; der Kläger sei also nicht maßgeblich im Vertrieb beschäftigt.
Parallel entschied das SG Hannover in der vergangenen Woche, dass auch die Tätigkeit einer Apothekerin als „Medical Writer“ als pharmazeutisch einzustufen sei. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. In den kommenden Woche soll das Bundessozialgericht (BSG) sich erstmals mit einem Fall beschäftigen, in dem einem Apotheker die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung verweigert wurde.
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