55 Millionen Euro Abschreibungen

Versorgungswerk schreibt Verluste, greift in die Rücklage

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Berlin -

Horrorzahlen von der Apothekerversorgung in Schleswig-Holstein: Weil ein hoher zweistelliger Millionenbetrag abgeschrieben werden musste, ist die Vorsorgeeinrichtung der Apothekerkammer in die roten Zahlen gerutscht. Nur durch einen Griff in die Rücklagen konnten akute Auswirkungen verhindert werden. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Verluste erst der Anfang waren und dass es weitere Ausfälle bei risikobehafteten Investements geben könnte.

Bei der Kammerversammlung vor zwei Wochen wurden die Zahlen erstmals vorgestellt, Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen schwor die rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer damals noch auf absolute Geheimhaltung ein. Allerdings lässt sich die Misere nicht auf Dauer unter den Teppich kehren, jetzt liegt der Geschäftsbericht vor – das Zahlenwerk zeigt, wie ernst die Lage ist.

Demnach mussten außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von 54,9 Millionen Euro vorgenommen werden. Zur Einordnung: Insgesamt verfügt die Apothekerversorgung über Kapitalanlagen in Höhe von 800 Millionen Euro. Damit wurde eine negative Rendite von 2,23 Prozent erzielt, die Kapitalerträge aus den anderen Bereichen wurden durch die Turbulenzen im Immobilienbereich mehr als aufgezehrt: Ohne Berücksichtigung der Kosten und Abschreibungen hätte man einen Kapitalertrag von 3,78 Prozent erzielt.

Um keinen negativen Jahresabschluss vorlegen zu müssen, entschieden die zuständigen Gremien, einen Teil der Zinsreserve in Höhe von 24 Millionen Euro aufzulösen, sodass diese nunmehr auf 21 Millionen Euro abgeschmolzen ist.

Insolvenzen und Ausfälle

Bei sieben Anlagen mussten Ausfälle verkraftet werden, betroffen sind insbesondere risikobehaftete Immobilieninvestments:

  • In einem Fall mussten bei einer Mezzanine-Finanzierung für eine Wohngebäudeentwicklung in Augsburg die Darlehen und Zinsansprüche komplett abgeschrieben werden, da der Projektentwickler Insolvenz angemeldet hatte.
  • Bei einer anderen Bürogebäudeentwicklung in Frankfurt am Main konnte die Objektgesellschaft keinen Ankermieter gewinnen. „In Anbetracht der wirtschaftlichen Rahmenparameter für das Projekt ist aktuell nicht mit einer Rückzahlung des gewährten Darlehens zu rechnen, so dass dieses inklusive Zinsen vollständig abgeschrieben wurde“, so die Geschäftsführung der Apothekerversorgung.
  • Bei zwei Immobilienfonds kam es infolge von Insolvenzen bei den mit der Planung und Durchführung beauftragten Gesellschaften zu erheblichen Verzögerungen und daraus resultierenden Schadenersatzansprüchen der Erwerber. Laut Geschäftsführung konnten die bereits begonnenen Projekte nicht mehr wirtschaftlich beendet werden, sodass auch hier Teile des eingesetzten Kapitals abzuschreiben waren.
  • In einem anderen Immobilienfonds erfolgte eine Wertberichtigung, die aus der Differenz zwischen dem Anschaffungspreis und dem Marktwert der zugrunde liegenden Immobilien resultierte.
  • Bei einem Immobilien-Finanzierungsfonds sind laut Geschäftsführung derzeit einige der vom Fonds gewährten Finanzierungen „leistungsgestört“. Da die Berechnung des Anteilswerts aktuell ausgesetzt sei, bestehe eine Unsicherheit bezüglich der Werthaltigkeit der Fondsanteile, der mit einer Wertberichtigung vorsorglich Rechnung zu tragen gewesen sei.
  • Bezüglich eines dem Fonds gewährten Darlehens erfolgte aus Vorsichtsgründen eine Wertberichtigung im Hinblick auf einen Teil der Zinsforderungen.

Noch ist unklar, ob die Abschreibungen in den kommenden Jahren zumindest teilweise wieder über Wertaufholung kompensiert werden können. Ebenso unklar ist allerdings, ob und wann sich der Immobilienmarkt wieder erholen wird; 2024 bleibe die Lage angespannt. „Weitere Wertberichtigungen sind nicht auszuschließen.“

Auch 2024 schon Probleme

So gibt es auch im laufenden Jahr schon neue Probleme: Bei einer weiteren Mezzanine-Finanzierung hätten erhebliche Verzögerungen bei der Grundstücksübertragung dazu geführt, dass mittlerweile die Zinsen die Wirtschaftlichkeit des Engagements infrage stellen. „Die Darlehensnehmerin hat daher den Vorschlag vorgebracht, dass Kapital und bisher aufgelaufene, aber noch nicht gezahlte Zinsen in einer eigenkapitalähnlichen Struktur eingebracht werden sollen.“ Dieser Vorschlag werde gerade geprüft.

Im Rahmen einer anderen Mezzanine-Finanzierung im Zusammenhang mit einer Bürogebäudeentwicklung in Düsseldorf fänden aktuell Gespräche mit dem Senior-Finanzierer über eine Prolongation der gewährten Darlehen statt.

Risikoreiche Anlagen

Hintergrund ist laut Geschäftsführung die Immobilienkrise: Gestiegene Zinsen und explodierte Baukosten hätten die Nachfrage einbrechen lassen, was wiederum die Preise unter Druck gesetzt habe. Dies gelte insbesondere für Büroflächen; in etlichen Fällen habe die Situation zu Liquiditätsproblemen bei den Projektentwicklern geführt. Dies habe auch massive Auswirkungen auf die Finanzierungsgeber.

Immobilien machen im Anlagevermögen des Versorgungswerks einen wesentlichen Anteil aus: 25 Prozent entfallen auf direkte und indirekte Immobilienbeteiligungen, weitere 19 Prozent entfallen auf sogenannte Mezzanine-Finanzierungen. In der Zeit der niedrigen Kapitalmarktzinsen hatte sich das Versorgungswerk auf diese riskanten Anlagen eingelassen: Bei den Darlehen drohen im Extremfall schnell komplette Abschreibungen, weil diese Art der Finanzierung nachrangig ist und keine Sicherheiten an den Immobilien selbst bestehen. Zusätzlich drohen im „Crash-Szenario“ auch die Zinsen verloren zu gehen, da diese bei Mezzanine-Darlehen häufig erst zum Ende der Laufzeit gezahlt werden. „Die potentiellen Einbußen sind nach wie vor hoch.“

Berater eingeschaltet

Gemeinsam mit zwei Unternehmensberatungen – RMC und dem Vernehmen nach Baker Tilly – wird nun nach Auswegen aus der Krise gesucht. Denn die im Immobilienbereich gebundenen Gelder lassen kaum Spielraum für Investements in anderen Anlageklassen zu. 2023 gab es jedenfalls keine wesentlichen Zugänge an neuen Anlageprodukten, was auch daran lag, dass kaum Liquidität zur Verfügung stand. Mit dem Ziel, die bei festverzinslichen Wertpapieren verlorengegangenen Erträge zumindest teilweise auszugleichen, bediene man sich zunehmend illiquiderer Alternativprodukte. „Höhere Kapitalmarktzinsen konnten daher kaum für die Neuanlage genutzt werden.“ Es droht ein Teufelskreis.

Rechnungszins abgesenkt

Schwierig wird es laut Geschäftsführung spätestens dann, wenn der Kapitalmarktzins nicht mehr ausreicht, um den Rechnungszins zu finanzieren. Hier habe man bereits „begrenzende Weichenstellungen“ vorgenommen und 2016 etwa den Rechnungszins auf zukünftige Beiträge auf 2 Prozent abgesenkt. 2021 sei dann auch der Rechnungszins im Altbestand von 3,65 auf 3,5 Prozent abgesenkt worden. Mit den mittlerweile überwiegend schwer zu prognostizierenden jährlichen Erträgen nehme daher die Bedeutung zu, „die Übereinstimmung der mittel- und langfristigen Anlage des Vermögens mit den Verpflichtungen des Versorgungswerkes periodisch zu überprüfen“, so die Geschäftsführung.

Bereits zurückliegenden Wirtschafts- und Finanzkrisen hatten die stillen Reserven der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein nahezu aufgebraucht. Dank der relativ guten Ergebnisse der vergangenen Jahre konnten neue Puffer aufgebaut werden. „Die vorhandenen stillen Reserven und die Sicherheitsrücklagen in der Versicherungsmathematik sind jedenfalls in der Lage, überschaubare Talfahrten im Kapitalmarkt abzufedern.“ Allerdings sei nicht sicher abzuschätzen, wie groß eine Reserve sein müsse. Das Risiko von Wertverlusten sei generell gestiegen. „Die Ausschläge können erheblich sein.“

Abkehr vom Risikokurs

Die zuständigen Gremien der Apothekerversorgung seien bei allen Anlagen bemüht, nur solche Produkte auszuwählen, in denen das Risiko überschaubar sei, versichert die Geschäftsführung. „Diese Risiken werden größtmöglich durch die Anlagestrategie minimiert, nach der das Vermögen so angelegt ist, dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei ausreichender Liquidität,
unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung, erreicht werden.“

Größere Mezzanine-Engagements seien bewusst eingegangen worden, sollten jedoch künftig abgebaut werden und stellten keine Anlageoption mehr dar.

Noch im vorvergangenen Jahr war man auf einem anderen Kurs unterwegs: Rund 54 Millionen Euro wurden alleine 2022 ganz überwiegend in Mezzanine-Darlehen platziert. „Mit diesen Investments verfolgen die zuständigen Gremien der Apothekerversorgung konsequent den Weg, jenseits der festverzinslichen Wertpapiere einen Mehrertrag über dem Rechnungszins zu erzielen. Die Assetklasse hat im Gesamtportfolio der Apothekerversorgung ein großes Gewicht bekommen. Die Chancen auf hohe Rendite sind enorm. Zugleich verbergen sich hinter entsprechenden Investments aber auch Ausfallrisiken.“

Aber damals wähnte man sich noch auf der sicheren Seite: „Das Ziel der zuständigen Gremien der Apothekerversorgung, rückläufige Erträge infolge des sehr niedrigen Kapitalmarktzinses durch Mezzanine-Renditen zu kompensieren, ist bisher aufgegangen. Verwaltungs- und Aufsichtsausschuss sind sich bewusst, dass Mezzanine-Investitionen (direkt/indirekt) deutlich risikogeneigter aufgestellt sind.“

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