Die Notdienstpauschale ist für die Apotheken mehr als nur eine symbolische Geste: Die 5000 Euro, die laut Treuhand Hannover bis Jahresende im Durchschnitt ausgezahlt werden, tragen entscheidend zur Stabilisierung des Betriebsergebnisses bei. Doch nur ein Jahr nach der Einführung droht neues Ungemach: Das Versorgungsstärkungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) könnte dafür sorgen, dass irgendwann nicht mehr alle Apotheken gleichermaßen am Notdienst und den damit verbundenen Mehreinnahmen beteiligt werden.
Dem Vernehmen nach wollte Gröhe den Referentenentwurf eigentlich in dieser Woche vorlegen. Doch dazu wird es vermutlich nicht kommen: Man brauche noch zwei Wochen, heißt es aus Koalitionskreisen. Insbesondere im Arzneimittelbereich seien demnach viele Fragen ungeklärt. Man befinde sich derzeit in der internen Abstimmung, heißt es offiziell aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Sobald diese abgeschlossen sei, werde man über die Inhalte informieren.
Jens Spahn (CDU) ließ mit seiner Kritik an den Preisverhandlungen die Pharmaherzen bereits höher schlagen. Andererseits gibt es Befürchtungen, dass bei der Nutzenbewertung noch einmal die Daumenschrauben angezogen werden könnten, etwa bei Indikationserweiterungen oder bei Orphan drugs und Biosimilars.
Auch die Apotheker waren ungeduldig auf die guten oder schlechten Dinge, die sich Gröhe und seine Frühstücksrunde – Spahn und die beiden Fraktionsvizes Dr. Georg Nüßlein (CSU) und Professor Dr. Karl Lauterbach (SPD) – für sie ausgedacht haben. Als wahrscheinlich gilt eine Regelung zu Nullretaxationen aufgrund von Formfehlern.
Die Apotheker haben noch andere Themen auf dem Wunschzettel, etwa die Festschreibung des Kassenabschlags, verbunden mit einer regelmäßigen Prüfung des Honorars – und am besten direkt mit einer Anpassung nach oben. Weitere Themen, die die Apotheker angesprochen haben, sind die Abschaffung der Importquote, eine gesetzliche Regelung für spezielle Beratungshonorare, einen Nachschlag bei BtM und Rezepturen sowie ein Verbot von Zyto-Ausschreibungen und höhere Arbeitspreise im Bereich der Sterilrezepturen.
Auch bei der Notdienstpauschale gibt es Nachholbedarf, den Spahn bereits erkannt haben will: „120 Millionen Euro waren zugesagt und versprochen“, so Spahn beim Deutschen Apothekertag (DAT). Wenn diese Summe nicht erreicht werde, müsse man schauen, woran das liege, und an der Stellschraube drehen.
Viel spannender ist aber die Frage, wer sich in Zukunft über die Notdienstpauschale freuen darf. Denn laut Koalitionsvertrag soll die ambulante Notfallversorgung besser koordiniert werden. Im Kern geht es darum, die Kliniken einzubinden, die außerhalb der allgemeinen Praxissprechzeiten schon heute für viele Patienten erste Anlaufstelle seien. Angestrebt wird deshalb eine „regelhafte Kooperation der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhäuser“, in die bei der Gelegenheit aber auch der Notdienst der Apotheken einbezogen werden soll.
Angeblich gibt es im Versorgungsstärkungsgesetz eine entsprechende Regelung – auch wenn sich derzeit niemand vorstellen kann, dass sich Gröhe ernsthaft einen solchen Klotz wie den Notdienst ans Bein bindet. Andererseits: Kürzere Wege für Kranke in der Nacht lassen sich politisch gut verkaufen und kosten kein Geld. Die Arbeit haben diejenigen, die für die Umsetzung zuständig sind.
Der Apothekennotdienst wird derzeit im Auftrag der Länder beziehungsweise der Landesbehörden von den Kammern organisiert. Für den ärztlichen Bereitschaftsdienst sind laut Sozialgesetzbuch die KVen zuständig. Da dies laut Koalitionsvertrag so bleiben soll, müsste die Regierung also in Bundes- und Landesregelungen gleichermaßen eingreifen.
Unabhängig davon, ob es eine detaillierte Regelung oder nur eine allgemeine Vorgabe gibt: Die Synchronisierung der Notdienste wird eine echte Herausforderung. Derzeit werden die Bereitschaftsdienste meist vor Ort organisiert, wobei noch nicht einmal die Bezirke von Ärzten und Apothekern deckungsgleich sind.
Je nach Region gibt es außerdem in beiden Berufsgruppen ganz unterschiedliche Regelungen, die kaum miteinander in Einklang zu bringen sind. Während sich jede Apotheke gleichmäßig am Notdienst beteiligen muss, ist der ärztliche Bereitschaftsdienst nicht überall Pflicht: In einigen KV-Bezirken muss jeder Mediziner – egal ob selbstständig oder angestellt – antreten, in anderen sind nur bestimmte Ärzte zum Dienst verpflichtet oder die Teilnahme ist sogar freiwillig.
In vielen Bundesländern gibt es mittlerweile zentrale Bereitschaftspraxen, in denen immer ein Arzt erreichbar ist. Hier führt eine Angleichung also in letzter Konsequenz zu Notdienstapotheken – oder zu speziellen Bereitschaftsapotheken, in der der jeweils diensthabende Apotheker seine Nacht verbringt.
Sollte es tatsächlich dazu kommen, hätte die Notdienstpauschale nicht mehr den Charakter, mit dem sie ursprünglich eingeführt wurde: Statt Apotheken auf dem platten Land würden Apotheken mit Nähe zu den Notfallambulanzen der Klinik gefördert. Obendrein könnte der Notdienst zur Blaupause für eine Differenzierung im Apothekenbereich werden – und damit die Abkehr vom selben Versorgungsauftrag für alle.
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