Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in einem offenen Brief dazu aufgefordert, die Versorgungsprobleme nicht länger zu ignorieren, sondern die Krise in der zahnärztlichen Versorgung endlich zu stoppen. Die Folgen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten seien ansonsten äußerst ernst. Es geht um die Budgetierung der Parodontitistherapie, die mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKVFinStG) eingeführt worden war.
Mit Lauterbachs Spargesetz war das Wachstum der Punktwerte und des Ausgabenvolumens für zahnärztliche Leistungen ohne Zahnersatz auf höchstens die um 0,75 Prozentpunkte verminderte Grundlohnrate in 2023 sowie auf höchstens die um 1,5 Prozentpunkte verminderte Grundlohnrate für 2024 gedeckelt worden. Auch die Parodontitisversorgung unterliegt dieser strikten Budgetierung.
Dies habe die zahnmedizinische Versorgungssituation massiv erschwert, schreibt die KZBV. Die erst im Juli 2021 eingeführte präventionsorientierte Parodontitistherapie stehe nicht mehr ausreichend zur Verfügung, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Parodontitisversorgung zur Folge habe. „Die unmittelbaren Leidtragenden dieser kurzsichtigen und fehlgeleiteten Gesundheitspolitik sind die Patientinnen und Patienten.“
Anhand von Versorgungsdaten habe man eindeutig belegt, dass die strikte Budgetierung einen bundesweit dramatischen Einbruch bei den Neubehandlungen der Volkskrankheit Parodontitis verursacht habe. „Während vor Einführung der strikten Budgetierung in 2022 noch durchschnittlich etwa 120.000 Parodontitisneubehandlungen pro Monat durchgeführt wurden, waren es im Dezember 2023 nur noch circa 77.500. „Anders als von Ihnen öffentlich dargestellt, kommt dies de facto Leistungskürzungen für die Patientinnen und Patienten gleich.“ Aktuelle Abrechnungsdaten zeigten, dass sich der Negativtrend sogar weiter verstärke: „Wir gehen davon aus, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen auch in den kommenden Wochen und Monaten die monatlichen Neubehandlungsfälle weiter absinken werden.“
Über diese gefährliche Entwicklung habe man laufend informiert, so die KZBV. „Unsere Warnungen haben Sie jedoch stets ignoriert, unsere Gesprächsangebote hierzu haben Sie abgelehnt. Wenn keine korrigierenden Maßnahmen von Ihnen, Herr Bundesminister und den Ampelfraktionen ergriffen werden, ist davon auszugehen, dass das Niveau der Neubehandlungen soweit absinken wird, dass es nur noch halb so hoch ist wie vor Einführung der Budgetierung. Damit droht das Versorgungsziel, die Parodontitis – neben Karies die zweite große Volkskrankheit in der zahnmedizinischen Versorgung – wirkungsvoll bekämpfen zu können, vollständig zu scheitern. In Anbetracht der hohen Krankheitslast ist dies für die Mund- und Allgemeingesundheit der Patientinnen und Patienten fatal.“
Es reiche eben nicht aus, sich die Stärkung der Prävention im Koalitionsvertrag als Ziel zu setzen. „Entscheidend ist, dass diese Zielsetzung auch Eingang in das politische Handeln und in die Versorgungsrealität findet. Herr Bundesminister, nehmen sie den Stellenwert der Prävention für die Gesundheit ernst, verschließen Sie nicht länger die Augen vor den Problemen in der Versorgung.“
Da Parodontitis nicht auf die Mundhöhle beschränkt sei, sondern eine komplexe Entzündungserkrankung darstelle, drohten Folgekosten von rund 200 Millionen Euro jährlich. Hinzu kommen indirekte Krankheitskosten durch Parodontitis, die eine international vergleichende Studie für Deutschland mit rund 34,79 Milliarden Euro angebe.
„Herr Bundesminister, stellen Sie sich den Problemen und Realitäten in der zahnmedizinischen Versorgung, anstatt Sie unter den Tisch fallen zu lassen.“ KZBV-Chef Martin Hendges sowie seine beiden Stellvertreter Dr. Ute Maier und Dr. Karl-Georg Pochhammer fordern Lauterbach auf, nicht länger den Dialog zu verweigern. „Unsere Lösungsvorschläge liegen Ihnen vor. Wir fordern Sie auf, mögliche Lösungsansätze konstruktiv mit uns zu diskutieren und unsere Vorschläge aufzugreifen. Nur so können Sie noch verhindern, dass sich diese Versorgungskrise weiter verschärft.“
Gleichzeitig werde es aufgrund des Fachkräftemangels für die Praxen immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden, sowie eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Versorgung flächendeckend sicherzustellen. „Hinzu kommt, dass die auswuchernde Bürokratie den Kolleginnen und Kollegen immer mehr ihrer kostbaren Zeit raubt, die stattdessen den Patientinnen und Patienten zu Gute kommen sollte.“ Obendrein stellt sich die unausgereifte Digitalisierungsgesetzgebung derzeit weniger als Unterstützung, sondern eher als ein Hemmnis im Praxisalltag dar.
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