Seltene Einigkeit zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern: Karl Lauterbachs (SPD) Idee von Light-Filialen wird unisono abgeleht – weil sie keine Lösung bietet und im Grunde genommen schizophrän ist.
Beim Digitalkongress des Branchenverbands Bitkom ging es auch um Lauterbachs Reformideen für den Apothekenmarkt. Anke Rüdinger, Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins (BAV) und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV) sprach von einer Leistungskürzung durch die Hintertür: Viele Services, die Apotheken schon bieten oder perpektivisch anbieten sollen, seien ohne Approbierte vor Ort gar nicht möglich.
Als Beispiele nannte sie Impfungen, aber auch drei von fünf pharmazeutischen Dienstleistungen fielen dann für die Menschen in den betreffenden Regionen weg. Abgesehen davon sei ihr auch vollkommen unklar, wie dann ein Apotheker gleichzeitig fünf bis sechs solcher Filialen per Videoschaltung betreuen solle. „Diese Idee ist für mich ein absolutes No-Go.“
Lars Horstmann, Vorstandschef von easyApotheke, sprach spöttisch von einem „Wechselbad der Gefühle“: „Einerseits gibt es diese Light-Spinnereien, auf der anderen Seite ist eine Aufwertung der Apotheke geplant. Das ist komplett konträr.“ Man könne nicht gleichzeitig über eine Ausweitung von Leistungen sprechen und im selben Atemzug über eine Beschränkung der Möglichkeiten: „Wollen wir dann auf dem Land mit Light-Konzepten rumarbeiten, während wir in der Stadt eine Premiumversorgung aufbauen?“
Und selbst Olaf Heinrich, CEO von Redare (Shop Apotheke) und in seiner früheren Funktion als DocMorris-Chef schon selbst Hüffenhardt-erprobt, kann Lauterbachs Idee nichts abgewinnen. „Wie soll das funktionieren? 80 Prozent des Umsatzes sind Rx, wenn also kein Arzt mehr da ist, kann auch eine Light-Filiale nicht überleben.“
Unter dem Strich ist seine Botschaft allerdings eine andere: „Ich bin für eine starke Rolle der Apotheken, aber in einer anderen Struktur, die auch den Versandhandel aktiv einbindet.“ Viele Sachen seien in Zukunft nicht mehr bezahlbar, „wir werden in der Fläche keine Apotheken halten können, wenn es vor Ort keinen Arzt mehr gibt“. Heinrich: „Da hilft auch eine höhere Bezahlung nicht. Da braucht es unter Umständen eben den Versandhandel.“
Man muss andere Wege gehen – und dazu sollten wir uns hinsetzen und sprechen.“ Mit den bisherigen Strukturen werde man die Probleme nicht lösen können, „so einfach ist das“.
Er geht selbstbewusst in die Debatte: Denn auch bei Themen wie Telepharmazie oder pharmazeutische Dienstleistungen habe der Versandhandel alle Voraussetzungen um teilzunehmen: „Wir haben eine Datenschatz und wie haben Erfahrung, wie man Versorgung auch aus der Entfernung betreibt. Wir können einen echten Mehrwert für die pharmazeutischen Dienstleistungen bieten, gerade auf dem Land.“
Wie Heinrich ist auch der FDP-Gesundheitssprecher Professor Dr. Andrew Ullmann zu der Einsicht gelangt, dass man angesichts der demografischen Entwicklung auf Dauer nicht mehr überall eine Vollversorgung gewährleisten kann. Er ist daher dafür, dass die Heilberufe bestimmte Aufgaben an Assistenzberufe abgeben. „Wir müssen die Freien Berufe stärken, damit sie die Verantwortung für die Versorgung auch in Zukunft übernehmen können.“
Keinesfalls sei er aber für Apotheken ohne Approbierte: „Apotheker sind doch nicht nur akademischen Verkäufer. Sie haben das Fachwissen und gewährleisten die Arzneimittelsicherheit. Hier dürfen wir keine Abstriche machen.“ Er hält an der Idee fest, Landapotheken durch Zuschüsse zu fördern, da diese meist ohnehin die umsatzschwächeren Betriebe seien.
Rüdinger hielt dagegen: In Berlin sei die Apothekendichte niedriger als anderswo, gerade in den Stadtrandlagen sei es besonders schlimm. Den Einwand Ullmanns, dass die Wege für die Patientinnen und Patienten trotzdem kürzer seien, räumte sie postwendend ab: „Es geht um die Arbeitslast, die kaum noch zu stemmen ist.“
Wenig Chancen hat aus Ullmanns Sicht übrigens die neue Möglichkeit, dass die Kassen die Daten ihrer Versicherten auswerten und diese mit Verbesserungsvorschlägen kontaktieren dürfen. „Wenn die Kasse sieht, dass etwas nicht in Ordnung ist, dann ist es doch längst zu spät. Die Intervention muss zeitnah passieren, und dafür brauchen wir Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken.“ Insofern müsse das E-Rezept auch mehr bieten als die „Elektrifizierung des Papierrezepts“.
Horstmann machte noch den Punkt zum Honorar: „Für das gleiche Geld immer mehr Leistungen zu fordern, funktioniert einfach nicht.“ Das Apothekensterben habe mit den Umsätzen nichts zu tun, sondern mit den explodierenden Kosten. „Damit die Apotheke in der Zukunft eine stärkere Rolle spielen kann, muss sie anders honoriert werden. Nur so kann sie da sein, wo sie hingehört – im den Rang eines ernst zu nehmenden Leistungserbringers.“
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