Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle

Versandhandel: Temperaturkontrolle oder Komplettverbot?

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Berlin -

Der Versandhandel stellt sowohl den Großhandel als auch die Vor-Ort-Apotheken vor große Herausforderungen – vor allem wegen der ungleichen Wettbewerbsbedingungen: Während inländische Versorger strengen Vorgaben unterliegen, profitieren ausländische Versender von regulatorischen Lücken. Doch wie kann die Politik diesem „Cherry-Picking“ entgegenwirken? Braucht es ein Versandhandelsverbot? Während SPD-Politikerin Martina Stamm-Fibich eine Lösung auf europäischer Ebene anstrebt, setzt sich CSU-Politiker Bernhard Seidenath für ein Verbot des Rx-Versandhandels ein.

Apotheken und Großhandel garantierten die flächendeckende Versorgung und seien als Vollversorger unverzichtbar, erklärt Patrick Neuss, CEO von Sanacorp. Besonders wichtig sei der persönliche, vertrauensvolle Kontakt – kranke Menschen bräuchten Begleitung. Während Apotheken das Patientenwohl in den Mittelpunkt stellten, könnten Versender oder andere neue Marktteilnehmer die hohen heilberuflichen Anforderungen nicht oder nur in Teilen erfüllen. Pick-up-Stationen seien vielleicht eine Ergänzung, aber keine vollwertige Lösung, erklärt er.

Besonders frustrierend für die Branche sei, dass die Politik nichts unternehme, um die ungleichen Bedingungen zwischen ausländischen Versendern und inländischen Unternehmen zu korrigieren. „Unkontrolliert untergraben sie mit ihrem Cherry-Picking das bestehende Apothekensystem und erhöhen den Margendruck zusätzlich. Die Rechte und Pflichten sind ungerecht verteilt – hier müssen wir dringend ansetzen“, fordert Neuss.

In der vergangenen Legislaturperiode sei beim Thema Apotheken nicht viel erreicht worden, gibt auch Stamm-Fibich zu. Die ungleiche Behandlung von Apothekern und Großhändlern im Vergleich zu internationalen Versendern sei ein Problem, jedoch gebe es keine einfache Lösung hierfür. „Wir haben unsere Vorgaben, wir haben GDP-Regelungen, aber außerhalb der deutschen Grenzen gibt es kaum Kontrollmöglichkeiten.“

Regelungen müssten hier auf EU-Ebene greifen, so Stamm-Fibich. Gleichzeitig warnt sie vor den Auswirkungen, wenn EU-weit die gleichen Bedingungen für den Versand von Arzneimitteln gelten würden, insbesondere vor bürokratischen Mehraufwand. „Welche Auswirkungen hätte es auf Botendienste oder Bürokratie und Nachweispflichten? Ich bin für gleiche Maßstäbe für alle, aber die Umsetzung hat ihre Tücken.“

RX-Verbot im Koalitionsvertrag?

Seidenath, CSU-Abgeordneter aus Bayern, erinnerte daran, dass der Landtag sich schon mehrfach für ein Versandhandelsverbot für RX-Medikamente ausgesprochen habe. „Ich bin mir sicher, dass wir das hinbekommen – andere europäische Länder haben es schließlich auch geschafft. Sollten wir in den nächsten Koalitionsverhandlungen dabei sein, werden wir dieses Thema erneut einbringen“, verspricht er. Das Problem sei, dass der Versandhandel bereits erlaubt sei und eine Rücknahme rechtlich nicht einfach umzusetzen wäre. „Aber wenn wir es wirklich wollen, dann müssen wir es auch konsequent weiterdenken.“

Neuss ergänzte, dass das Hauptproblem in der mangelnden Überwachung liege: „Während Großhandel und Apotheken bei vielen Medikamenten strenge Vorgaben einhalten müssen, etwa bei der Kühlkette, fehlen solche Kontrollen im Versandhandel.“ Daher müsse man entweder wirksame Kontrollmöglichkeiten schaffen oder den Versandhandel ausschließen, so Neuss weiter. „Ich bin auch für Bürokratieabbau, aber bei einem so sensiblen Thema könnte man durchaus etwas mehr Regulierung verkraften.“

„Das Perfide ist doch: Eine durchgekochte Pille sieht oft noch einwandfrei aus, wirkt aber nicht mehr“, erklärt Max Lernbecher vom Bayerischen Apothekerverband (BAV). Insbesondere Eiweißpräparate seien extrem temperaturempfindlich. Ein unkontrollierter Versand sei hier aus Verbraucherschutzgründen inakzeptabel. Apotheken und der Großhandel trügen die hohen Kosten für die Arzneimittelsicherheit und auch die Botendienste der Apotheken arbeiteten mit klimatisierten Lieferwagen und Kühlboxen. Hier wären Einschränkungen in der Gesetzgebung sinnvoll, denn momentan gebe es keinen vernünftigen Versender, der diese Anforderungen zuverlässig erfüllen.

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