Gemeinsamer Senat begründet Rx-Boni-Verbot Alexander Müller, 09.02.2013 08:30 Uhr
Wer Arzneimittel an Patienten in Deutschland versendet, muss sich auch an die hiesigen Preisvorschriften halten. Das hatte der Gemeinsame Senat der obersten Gerichte des Bundes bereits im August 2012 entschieden. In ihrer Begründung führen Deutschlands oberste Richter nunmehr aus, warum der Gesetzgeber auch ausländische Versandapotheken in die Pflicht nehmen darf.
Mit den Rx-Boni musste sich der Gemeinsame Senat befassen, weil zwei oberste deutsche Gerichte in dieser Frage geteilter Auffassung waren. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte im Jahr 2008 entschieden, dass die Preisbindung nicht für ausländische Versandapotheken gilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) wollte das Bonusmodell der Europa Apotheek Venlo (EAV) dagegen verbieten.
Der Gemeinsame Senat schloss sich der Auffassung des BGH an, wonach im Wettbewerbsrecht das Marktortprinzip gilt. Bei dem Geschäftsmodell ausländischer Versandapotheken liege dieser Marktort eindeutig in Deutschland, wie der Senat mit Blick auf das Angebot der EAV feststellt: „Der Internetauftritt der Beklagten ist in deutscher Sprache gehalten und das Angebot betrifft in Deutschland zugelassene und in deutscher Sprache gekennzeichnete Arzneimittel, die die Beklagte nach Deutschland liefert.“
Der Gesetzgeber hat dem Gemeinsamen Senat zufolge aufgrund des Territorialprinzips freie Hand bei der Gestaltung der Endverbraucherpreise für Arzneimittel. So seien Preisspannen für Großhändler und Apotheken gesetzlich festgelegt. Diese Preisbindung sei für alle bindend, „um so der Gefahr eines ruinösen Preiswettbewerbs unter Apotheken entgegenzuwirken, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu sichern und die Gefahr eines Fehl- oder Mehrgebrauchs von Medikamenten zu mindern.“
Dass der einheitliche Abgabepreis auch für ausländische Versandapotheken gilt, muss aus Sicht der Richter im Gesetz nicht eigens erwähnt werden: „Zahlreiche Vorschriften des Arzneimittelgesetzes – etwa über die Zulassungspflicht von Arzneimitteln oder über die Verschreibungspflicht – werden für ausländische Versandapotheken nicht ausdrücklich in Bezug genommen, ohne dass ihre Anwendung in Zweifel gezogen wird“, heißt es in der Begründung.
Müssten sich ausländische Versender nicht an die Preisvorschriften halten, könnte es dagegen zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen, so der Gemeinsame Senat. Schließlich könnten deutsche Versandapotheken und Vor-Ort-Apotheken auf einen Preiswettbewerb nicht reagieren. Ein fairer Wettbewerb setze aber gleiche Preisgestaltungsmöglichkeiten voraus.
Das Bundessozialgericht hatte 2008 festgestellt, dass sich DocMorris nicht an die deutschen Preisvorschriften halten muss. In dem Verfahren ging es jedoch eigentlich um die Frage, ob die niederländische Versandapotheke Anspruch auf Erstattung des Herstellerrabatts hat. Das BSG hatte abgelehnt und dabei auch auf die fehlende Preisbindung verwiesen.
Diese Argumentation teilt der Gemeinsame Senat nicht: Die Regeln zum Herstellabschlag beträfen das Preisrecht nicht. Die Apotheken seien in dieses System nur zur technischen Abwicklung eingeschaltet.
EU-Recht ist aus Sicht des Gemeinsamen Senats ebenfalls nicht berührt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe im Verfahren um das deutsche Fremdbesitzverbot entschieden, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, „auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen“.
Dieser Spielraum werde vom deutschen Gesetzgeber mit der Preisbindung nicht überschritten, so der Gemeinsame Senat. Eine Vorlage des Verfahrens an den EuGH lehnten die Richter daher ab. Die Position der Luxemburger Richter in dieser Frage sei durch ältere Entscheidungen eindeutig.