Kommentar

DocMorris in der Rabattfalle

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Berlin -

Ob Zyto-Ausschreibung oder Retax-Schutz: Wenn das Bundessozialgericht (BSG) sich mit Apotheken beschäftigt, gibt es meist denselben Gewinner – die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Doch ausgerechnet die Richter in Kassel könnten nun zum Retter der Preisbindung werden. Rosinenpickerei dürfe es im Sozialrecht nicht geben, so der Tenor der Richter.

Zugegeben, in dem Verfahren ging es nicht um Fragen, die sich aus dem EuGH-Urteil ergeben haben, sondern um Abschläge aus einer Zeit, in der DocMorris dem Rahmenvertrag noch nicht beigetreten war und „wild“ mit den Kassen abrechnete. Insofern war es auch kein Wunder, dass sich das BSG nicht noch einmal mit den alten Streitigkeiten auseinander setzen wollte. Immerhin gab es längst höchstrichterliche Entscheidungen zum Thema.

Doch DocMorris war gierig und sah nach dem EuGH-Urteil die Chance, aus einem noch anhängigen Streit doch noch einen Millionenbetrag herauszuschlagen. Immerhin hätten sich die Vorzeichen geändert, seien Rx-Boni in Luxemburg doch für zulässig erklärt worden. Nicht weniger als eine „Divergenz der Rechtssprechung“ drohe, argumentierten die Anwälte.

Die Kasseler Richter ließen sich nicht beeindrucken. An den Grundsätzen habe sich nichts geändert: DocMorris habe die Wahl, sich nicht an die deutschen Preisvorschriften zu halten und damit auf Erstattung des Herstellerrabatts zu verzichten – oder dem Rahmenvertrag beizutreten und „das festgelegte Preis- und Abrechnungssystem insgesamt, einschließlich des Einzugs der Zuzahlungen der Versicherten“, zu akzeptieren.

Beides gleichzeitig gehe nicht, so die Richter: Wer sich außerhalb des deutschen Preisrechts stelle, könne nicht gleichzeitig unter Verweise auf ebenjene Regelungen Ansprüche für sich ableiten. Die Vorschriften aus dem Sozialrecht seien als „Gesamtsystem“ zu betrachten, die Versandapotheke könne keine Rosinenpickerei betreiben und beide Vorteile für sich reklamieren.

Für die zu erwartenden Verfahren ist dieses Urteil ein wichtiger Fingerzeig. Denn genauso gut hätte sich das BSG die Erläuterungen mit Blick auf die Boni sparen können: Immerhin war im Ausgangsverfahren nicht entscheidend, dass die Versandapotheke Rabatte gewährt hatte, sondern dass sie im streitigen Zeitraum dem Rahmenvertrag noch nicht beigetreten war.

DocMorris hatte eigentlich nur wissen wollen, ob die Forderung nach dem Beitritt zum Rahmenvertrag gerechtfertigt sei, beziehungsweise ob ausländische Versandapotheken vom „Herstellerrabattabwälzungsmechanismus“ ausgeschlossen werden könnten, nachdem sie als erste Stufe ja bereits einbezogen wurden. Doch das BSG wies nicht nur die Nichtzulassungsbeschwerde ab, sondern weigerte sich auch, denn Fall zur erneuten Prüfung beim EuGH vorzulegen.

Dass das BSG in seinem Beschluss auch inhaltlich auf die Fragen eingeht, die derzeit die gesamte Branche beschäftigen, ist ein wichtiger Teilerfolg für die Apotheken. Denn bislang hat sich niemand aus der Deckung gewagt: Die Kassen grübeln noch, ob sie DocMorris & Co. aus dem Rahmenvertrag herauswerfen können beziehungsweise müssen. Von der ABDA beziehungsweise vom Deutschen Apothekerverband (DAV) hört man gar nichts zu dem Thema.

Für die Hersteller ist es mit dem Beschluss aus Kassel noch einmal leichter geworden, sich an die Seite der Apotheken zu stellen und gegenüber Preisbrechern den Herstellerrabatt zu verweigern. Allzu viel steht nicht auf dem Spiel; neben jeder Menge Dankbarkeit gibt es sogar Aussicht auf die Rückerstattung von Millionenbeträgen. Folgen mehr Firmen dem Vorbild von Kohlpharma, könnte dies schnell das Ende von Rx-Boni bringen.

In Heerlen dürften jedenfalls die Alarmglocken schrillen. Denn wenn die Hersteller tatsächlich den von den Kassen einbehaltenen Abschlag nicht mehr erstatten müssten, stünde der Rx-Versand einmal mehr vor dem Aus. Boni zu gewähren und dafür auch noch auf Abschlägen sitzen zu bleiben, dürfte für keinen Investor ein taugliches Geschäftsmodell sein.

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