Hilfstaxe

Versäumnis: HAV kritisiert DAV-Chef Becker

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Berlin -

Der Schiedsspruch zur Zytoherstellung sorgt im Lager der Apothekerverbände für Streit über den Umgang mit der Hilfstaxe: Der DAV hat zwar gegen den Schiedsspruch Klage eingereicht. Noch ist aber offen, ob der DAV die Hilfstaxe teilweise oder in Gänze kündigen wird. Der nächste Termin dazu wäre Mitte Mai. Die Apothekerverbände aus Hessen und Hamburg haben andere Vorstellungen.

Jetzt fordert der Hessische Apothekerverband (HAV) die Kündigung der gesamten Hilfstaxe – allerdings ohne Anlage 3 für parenterale Zubereitungen. Der HAV will hier erst den Prozess abwarten. Dagegen verlangt Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, klare Kante: Die Kündigung der gesamten Hilfstaxe sei der einzige Ausweg aus der wirtschaftlichen Notlage vieler Zyto-Apotheken.

Der Hessische Apothekerverband wird den DAV auf der anstehenden Mitgliederversammlung am 27. April auffordern, alle Anlagen der Hilfstaxe mit Ausnahme der Anlage 3 zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, teilte der Vorsitzende des HAV, Holger Seyfarth, mit. „Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass die Hilfstaxe seit 2009 nicht mehr angepasst wurde. Die dort genannten Stoffpreise liegen vielfach weit unter den tatsächlichen Einkaufspreisen der Apotheken“, kritisiert Seyfarth.

Zwar sei es möglich, durch den Bezug größerer Stoffmengen Einkaufspreise zu erzielen, die den in der Hilfstaxe genannten entsprächen. Doch gerade kleinere Apotheken mit wenigen Rezepturen würden diese Mengen kaum erreichen: „Die Hilfstaxe muss aber marktgerecht sein und Preise ausweisen, die dem üblichen Einkaufsverhalten entsprechen.“

Der Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, wie die Hilfstaxe offiziell heißt, sehe die regelmäßige Anpassung der Kalkulationsgrundlage an die aktuelle Kostenentwicklung vor. „Der DAV hat zu lange versäumt, mit dem GKV-Spitzenverband über Anpassungen zu verhandeln“, kritisiert Seyfarth. In der vergangenen Woche richtete der HAV daher die Bitte an den DAV, die Tagesordnung der Mitgliederversammlung um den Punkt „Hilfstaxe für Apotheken - Kündigung der Anlagen 1 und 2 sowie 4, 5, 6, 7, 8 und 9 des Vertrages über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen“ vom 1. Oktober 2009 zu ergänzen.

Anlage 3, welche die Preisbildung für parenterale Lösungen regelt, will der HAV aber noch nicht gekündigt wissen, solange die Klage gegen den Schiedsspruch vom 9. Januar beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg anhängig ist. Hierauf hatte sich der HAV-Vorstand in seiner Sitzung am 20. März geeinigt.

Noch einen Schritt weiter geht Graue vom Hamburger Apothekerverein: Es genüge nicht, gegen den Entscheid der Schiedsstelle vom 19. Januar juristisch vorzugehen, schreibt Graue im Editorial des NARZ-Mitgliedermagazins „eFaktum“. Vielmehr sollte der Schiedsspruch dem DAV als Aufhänger dienen, „den Beschluss der DAV-Mitgliederversammlung von 2012 endlich in die Tat umzusetzen und die Hilfstaxe zu kündigen“. Für Graue ist die Zeit gekommen, für eine „grundlegende Korrektur“ der gesamten Hilfstaxe zu streiten: „Es reicht!“

„Mit einer solchen Kündigung würden wir keineswegs in einen vertragslosen Zustand steuern“, so die Rechtsauffassung von Graue. Demnach träte nämlich die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) mit den dort niedergelegten Rezeptur-Aufschlägen auf den tatsächlichen Einkaufspreis in Kraft.

Allerdings ist diese Sicht der Dinge umstritten. Denn im 2016 verabschiedeten Arzneimittelmarkt-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) heißt es zu § 129, Absatz 5 SGB V: Die Hilfstaxe oder „der Schiedsspruch gilt bis zum Wirksamwerden einer neuen Vereinbarung fort“. Ob dies durch eine Kündigung der kompletten Hilfstaxe ausgehebelt werden kann, ist fraglich.

Für Graue ist durch die neue Hilfstaxe die „Kalkulationsbasis für die Arbeitsleistung in unseren Apotheken obsolet. Und das nicht erst seit gestern!“ Gleichzeitig sollten Apotheken für überwiegend „frei erfundene Abschläge“ auf Wirkstoffe Boni einräumen oder rückwirkende Preiskorrekturen hinnehmen. Graue: „Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass, wenn die Krankenkassen derart vorgehen dürfen, mittelfristig nicht nur die flächendeckende Herstellung von Zytostatika auf dem Spiel steht.“ Es werde damit klar, dass die bisherige Praxis, nämlich die Wirtschaftlichkeit der Apotheken über Einkaufskonditionen sichern zu wollen, ein Irrweg gewesen sei. „Wir brauchen Vergütungsvereinbarungen, deren Grundlage die Arbeitsleistungen unserer Apotheken sind“, so Graue.

Auf seiner Jahrestagung Mitte März befasste sich der Verband der Zytostatika herstellenden Apotheken (VZA) mit der neuen Hilfstaxe. „Der Schiedsspruch hat das Zeug dazu, die Herstellung von Zytostatika zum Verlustgeschäft zu machen. Es geht jetzt um wirtschaftliche Schadensbegrenzung“, so VZA-Präsident Dr. Klaus Peterseim. Apotheker müssen für Originalpräparate, die im Anhang 2 gelistet sind, Abschläge von 0,05 bis 7,5 Prozent gewähren. Für nicht gesondert gelistete Originale fällt ein 1,6 prozentiger Abschlag an. In Anlage drei sind Wirkstoffe gelistet, für die Rabatte bis zu 83 Prozent eingeräumt werden müssen.

Dort wurde auch die Kündigungsklausel problematisiert. Apotheker selbst können nicht kündigen. Einzig der DAV kann mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende ordentlich kündigen. Aber selbst dann verliere die Hilfstaxe ihre Gültigkeit erst mit einer neuen Vereinbarung. Was bleibe, sei eine außerordentliche Kündigung für einzelne Wirkstoffe mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende – vorausgesetzt es lägen geeignete schriftliche Belege vor und der ausgewiesene Durchschnittspreis werde um mehr als 10 Prozent überschritten.

„Will man die Versorgung durch die Apotheken vor Ort, dann müssen Teil 2 und 6 der Hilfstaxe neu verhandelt werden“, mahnte Rechtsanwältin Dr. Constanze Püschel. „Der Arbeitspreis muss erhöht und die Abschläge auf die tatsächliche Marktlage gebracht werden. Die Apotheke muss mindestens zum tatsächlichen Einkaufspreis anrechnen dürfen“, so Püschel. Die Marktlage der Apotheke decke sich nicht mit der Wunschliste der Kassen.

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