Das Versorgungsniveau systematisch abzusenken, ist das Ziel von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – egal ob das Apotheken, Arztpraxen oder Kliniken betrifft. Statt nach echten Lösungen zu suchen, setzt er auf das Prinzip Kahlschlag. Welche Folgen das haben kann, zeigt Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV), an einem kleinen Beispiel seiner geplanten Apothekenreform.
Es ist eher ein nachgeordneter Punkt in Lauterbachs Eckpunktepapier: „Ermöglichung flexibler Öffnungszeiten, um diese an Personalressourcen und Bedürfnisse der Versorgung vor Ort anzupassen“, heißt es bei den geplanten Maßnahmen zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung. Die Idee ist nicht aus der Luft gegriffen, schon jetzt wurden in mehreren die Allgemeinverfügungen angepasst, um wenigstens ein bisschen Entlastung für die Apothekenteams zu schaffen.
Laut Seyfarth geht das aber komplett in die falsche Richtung. Denn statt echte Lösungen zu suchen, wird aus seiner Sicht nur Flickschusterei betrieben – mit weit reichenden Folgen: Eine deutliche Reduzierung der Öffnungszeiten von Apotheken hat aus seiner Sicht vielfältige Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – und auch auf die Volkswirtschaft:
„Patienten haben Schwierigkeiten, benötigte Medikamente rechtzeitig zu erhalten, was besonders für die Akutversorgung mit Antibiotika und Schmerzmitteln problematisch ist“, erklärt Seyfarth.
Wo Apotheken als Anlaufstellen zeitweise wegfallen, müssen andere Einrichtungen die Versorgung übernehmen: „Krankenhäuser und Notaufnahmen werden stärker belastet, da Menschen außerhalb der eingeschränkten Öffnungszeiten dort Hilfe suchen.“
Und natürlich müssen Patientinnen und Patienten womöglich länger auf ihre Medikamente warten, wenn die Apotheke früher geschlossen ist. „Verzögerungen bei der Medikamentenbeschaffung führen zu Unterbrechungen in der Behandlung, was die Gesundheit der Patienten beeinträchtigt.“
„Der eingeschränkte Zugang zu fachkundiger Beratung in Apotheken führt zu einem Anstieg von Medikationsfehlern.“
Beides – Verzögerungen und Fehler – wird laut Seyfarth auch Folgen für die Kassen haben: „Ein erhöhtes Risiko für Gesundheitsprobleme aufgrund verzögerter oder unterbrochener Behandlungen führt zu höheren Kosten für das Gesundheitssystem.“
Und auch wenn Lauterbach die Pläne als Erleichertungen für die Apotheken verkaufen will: „Reduzierte Öffnungszeiten gefährden Arbeitsplätze in Apotheken und führen zu einem Verlust an Fachwissen“, ist sich Seyfarth sicher.
Den Vorwurf, mit solchen Plänen den Weg in eine Zwei-Klassen-Medizin zu ebnen, weisen Lauterbach und andere SPD-Gesundheitspolitikerinnen und -politiker zurück. Seyfarth sieht das anders: „Menschen in ländlichen oder sozial schwächeren Gebieten könnten stärker betroffen sein, da sie möglicherweise schlechteren Zugang zu alternativen Versorgungswegen haben.“
Und all das wird aus seiner Sicht auch weitreichende kulturelle Folgen haben, nämlich in der Art und Weise, wie Gesundheitsversorgung verstanden wird: „Ein erschwerter Zugang zu Apotheken könnte dazu führen, dass Menschen seltener professionelle Hilfe suchen und sich stattdessen auf Selbstmedikation oder unzuverlässige Informationsquellen verlassen.“
Für Seyfarth wird schon an diesem Beispiel deutlich: „Die Politik nimmt hier die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung mit ihrer Pseudoreform bewusst in Kauf – und belastet das Gesundheitssystem unnötig mit weiteren Kosten.“
APOTHEKE ADHOC Debatte