Der 16-prozentige Herstellerrabatt für private Krankenversicherungen (PKV) sorgt weiterhin für Streit: Der Hamburger Hersteller Desitin hat angekündigt, gegen den Zwangsrabatt Verfassungsklage einzureichen. Grundlage ist ein vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, demzufolge der Herstellerabschlag ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist. Der PKV-Verband sieht der Klage gelassen entgegen.
Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) hatte die Regierung den Herstellerabschlag auf die PKV ausgeweitet. Anders als im GKV-Bereich wird der Abschlag nicht über die Apothekenrechenzentren, sondern über die „Zentrale zur Abrechnung von Arzneimittelrabatten“ (Zesar) eingetrieben.
Aus Sicht von Desitin ist die Regelung verfassungswidrig: Gemeinsam mit der Anwaltskanzlei Taylor Wessing bereitet der Psychopharmaka-Spezialist derzeit eine Klage vor, die in der nächsten Woche eingereicht werden soll. Die Argumentation beruht auf einem Gutachten des Spezialisten Professor Dr. Ullrich Gassner aus dem Jahr 2010.
Demnach ist der Zwangsrabatt „ein Eingriff in die freie Preisgestaltung der pharmazeutischen Unternehmen, der sich nicht auf sachliche und vernünftige Gründe des Gemeinwohls stützen lässt“. Der Rabatt sei eine unangemessen hohe Zusatzlast für die Hersteller. Auch für die Gleichbehandlung von Selbstzahlern und Kassenpatienten gebe es keinen ersichtlichen Grund.
Dem PKV-Verband macht der Vorstoß wenig Angst: Die Verfassungsmäßigkeit sei bereits während des Gesetzgebungsverfahrens ausführlich geprüft und bestätigt worden. Der Rabatt sei gerechtfertigt, weil Privatversicherte vor unangemessenen Preisen geschützt werden müssten. „Wir erwarten, dass die Pharmahersteller ihren gesetzlichen Zahlungspflichten bis zur Entscheidung ohne Wenn und Aber nachkommen“, heißt es beim Verband.
Ohnehin bereitet man auch im PKV-Lager Klagen gegen einzelne Hersteller vor: Dem PKV-Verband zufolge haben sich nämlich einzelne Unternehmen dazu entschlossen, den Rabatt einfach nicht zu zahlen. Insgesamt sollen bei der Abrechnungsstelle „Zesar“ 20 Millionen Euro fehlen.
Warum ausgerechnet Desitin vorprescht, wollte man beim BPI nicht sagen. Das Pharmaunternehmen hat knapp 20 Antiepileptika im Portfolio, darunter Orfiril (Valproat), Timonil (Carbamazepin), Luminal (Phenobarbital), Antelepsin (Clonazepam), Phenhydan (Phenytoin). Außerdem hat Desitin eigene Generika im Markt und ist an mehreren AOK-Rabattverträgen beteiligt.
2010 setzte Desitin knapp 90 Millionen Euro um, zwei Drittel davon in Deutschland. Die 1919 in Berlin gegründete Firma beschäftigt 300 Mitarbeiter und vermarktet außerdem OTC-Produkte wie Coldastop, Desitin Salbe und Milkuderm. Eigentümer sind drei Familien aus Hamburg, Heidelberg und Bayern
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