Verfassungsbeschwerde zu Nullretax APOTHEKE ADHOC, 27.12.2013 14:40 Uhr
Bei Verfassungsbeschwerden ist Schnelligkeit gefragt: Einen Monat nach Zustellung des beanstandeten höchstrichterlichen Urteils muss der Schriftsatz in Karlsruhe vorgelegt werden. Am 23. Dezember haben die beiden vom Urteil des Bundessozialgerichts direkte betroffenen Apotheker Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BSG) eingereicht und die Verletzung ihrer Rechte aus dem Grundgesetz gerügt.
Das BSG hatte in einem vom DAV und den Ersatzkassen geführten Musterprozess Nullretaxationen grundsätzlich erlaubt: Demnach dürfen die Kassen den vollen Abrechnungsbetrag kürzen, wenn sich der Apotheker ohne Angabe von Gründen nicht an die Rabattverträge hält.
Die Kasse müsse „für nicht veranlasste, pflichtwidrige Arzneimittelabgaben nichts zahlen“, heißt es in der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung. Verletzte der Apotheker seine Pflicht zur korrekten Abgabe, sei dies sein Risiko, so die Kasseler Richter.
Vertreten werden die Apotheker durch den Pharmarechtler Dr. Heinz-Uwe Dettling von der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer. In einem im Auftrag des Apothekerverbands Nordrhein erstellten Gutachten hatte Dettling bereits vor zwei Jahren zusammen mit seinem Kollegen Martin Altschwager Nullretaxationen als verfassungswidrig kritisiert.
Demnach hätten die Kassen bei Verstößen nur Anspruch auf Nachbesserung, Minderung oder Rückabwicklung, sowie gegebenenfalls Schadenersatz. Vollabsetzungen ohne Prüfung des Einzelfalls seien dagegen ein Verstoß gegen die Grundrechte der Apotheker und damit unzulässig.
Die Null-Retaxation als Strafe ist aus Sicht der Anwälte zudem willkürlich, weil sie sich zufällig nach dem Preis des Arzneimittels richtet und nicht nach der Schuld des Verursachers. Auch dies sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar: Die Null-Retax sei eine „rein richterlich begründete Strafe ohne Gesetz“, heißt es im Gutachten.
Erschwerend hinzu kommt aus Sicht der Anwälte, dass eine solche „Vermögensstrafe“ ein „erhebliches Missbrauchspotenzial“ berge: Die Kassen setzten dieses Instrument zunehmend aggressiv zur beliebigen Beschaffung von Finanzmitteln ein. Das Gutachten war in der Hochphase der Formfehler-Ahndung durch Protaxplus erstellt worden.