Heilmittelwerberecht

Urteil: Rx-Werbung in Ausnahmen erlaubt

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Berlin -

Hersteller von Rx-Arzneimitteln dürfen diese ausnahmsweise bewerben, wenn sie sich damit gegen Falschdarstellungen im Internet wehren. Dabei muss jedoch stets der Bezug zur Diskussion ersichtlich sein. Dieses potenziell wegweisende Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln vergangenen Freitag gesprochen.

Die Richter hatten in einem Streit zwischen Bayer und der MSD-Tochter Intervet zu entscheiden. Stein des Anstoßes waren Falschbehauptungen über das verschreibungspflichtige Floh- und Zeckenschutzmittel Bravecto (Fluralaner). Intervet sei in sozialen Medien „zum Opfer von lawinenartig aufgetretenen Verleumdungen“ geworden, die „keinerlei Faktengrundlage“ besaßen, schreibt die mit dem Fall beauftragte Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells. Daraufhin hatte sich der Konzern zur Wehr gesetzt: Auf Facebook veröffentlichte MSD Tiergesundheit Posts unter dem Hinweis „Alle Fakten zum Floh- und Zeckenschutzmittel“ und trat den Behauptungen auf einer darin verlinkten Seite entgegen.

Damit war Bayer nicht einverstanden. Vor dem OLG Köln reichte der Konkurrent einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen MSD ein, da er durch das Vorgehen §10 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verletzt sah. Darin ist geregelt, dass für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden darf. Publikumswerbung, wie sie auf Facebook stattfindet, ist dementsprechend untersagt.

Das Gericht teilte den Standpunkt jedoch nicht. Vielmehr müsse eine Gesamtabwägung zwischen der Berufsausübungs- sowie Meinungsfreiheit des Werbenden und dem Werbeverbot vorgenommen werden. Ist ein Unternehmen mit massiven Falschdarstellungen im Internet konfrontiert, müsse die Vorschrift zugunsten des Unternehmens ausgelegt werden, soweit es Bezug zur laufenden Diskussion nimmt, so die Richter.

Für Tanja Eisenblätter, die bei Hogan Lovells für die Prozessführung verantwortlich ist, hat das Gericht damit nicht weniger getan, als „Rechtsgeschichte geschrieben“. „Wir sind froh, dass unsere Mandanten Falschdarstellungen im Internet nicht mehr hilflos ausgeliefert sind, sondern sich wehren dürfen“, so die Juristin. Sie erwarte, dass auch andere Unternehmen von dem Urteil profitieren werden. „Denn es kommt immer wieder vor, dass in den sozialen Medien Tatsachen falsch dargestellt werden. Allen in Zukunft betroffenen Unternehmen haben wir den Weg gewiesen.“

Das Antiparasitikum Bravecto ist bereits seit Längerem umstritten. Kritiker werfen ihm starke Nebenwirkungen von Zittern über Krampfanfälle bis Epilepsie vor. Zunehmende Verbraucheranfragen veranlassten die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) dazu, das Mittel zu untersuchen. Die Behörden bewerteten den Einsatz der Kautabletten als angemessen sicher, erweiterten jedoch die Fachinformationen im Abschnitt Nebenwirkungen um die Punkte Krämpfe und Lethargie.

Online hingegen blieb die Dynamik der Kritiker hoch: Befeuert unter anderem durch einen kritischen Beitrag des Privatsenders RTL sorgten sich tausende Tierhalter um die Gesundheit ihrer Vierbeiner und machten dem Ärger im Internet Luft. Dass es dabei nicht immer sachlich und faktenkundig zugehen könnte, lassen Social-Media-Präsenzen wie die Gruppe „Does Bravenco Kill Dogs?“ mit immerhin 37.000 Mitgliedern vermuten. Dass einige von ihnen in ihrer Sorge übers Ziel hinausgeschossen sein müssen, erkannte das Gericht mit seinem Urteil indirekt an.

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