Nach dem Medikamenten-Skandal um den Brandenburger Pharma-Großhändler Lunapharm ist die Geschäftsführerin des Unternehmens zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Landgericht Potsdam sprach die Angeklagte nun wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz schuldig. Zudem ordnete das Gericht die Einziehung von rund 370.000 Euro aus dem Privatvermögen der Frau an. Von der Firma sollen etwa 1,16 Millionen Euro eingezogen werden.
Die Kammer sah es nach eigenen Angaben als erwiesen an, dass die Frau illegal mit Krebsmedikamenten gehandelt hat. Sie habe mit Hilfe eines Geschäftspartners über Monate die Vertriebswege der Medikamente verschleiert. Die Frau hatte die Vorwürfe stets bestritten und betont, nicht gegen geltende Arzneimittelgesetze verstoßen zu haben. Das Unternehmen Lunapharm darf seit mehreren Jahren keine Arzneimittel mehr herstellen oder damit handeln.
Zudem ergänzte eine Gerichtssprecherin auf Nachfrage von APOTHEKE ADHOC, dass die Lunapharm-Chefin aufgrund des „Inverkehrbringens gefälschter Medikamente im besonders schweren Fall“ schuldig gesprochen wurde, „da sie mit Gewinnerzielungsabsicht handelte“. „Gefälscht“ sei dabei im Rechtssinne zu verstehen, also dass die entsprechenden Dokumente falsche Angaben enthielten und der Vertriebsweg nicht nachvollziehbar ist.
Zwischen 2015 und 2018 hatte sie Medikamente über eine Apotheke in Griechenland bezogen und in Deutschland vertrieben, obwohl diese Apotheke keine Großhandelserlaubnis hatte. Zwar hatte das Landesgesundheitsamt im Mai 2017 diesen Handel verboten, doch die Frau und ihr Geschäftspartner hatten das Verbot aus Sicht des Gerichts im Anschluss umgangen.
Dafür hätten sie über eine Firma in Zypern das Geschäft weiterbetrieben, erklärte die Richterin. So seien weitere Lieferungen aus der Apotheke in Griechenland über Rechnungen des Großhändlers aus Zypern verschleiert worden. An den Medikamenten selbst gab es laut Gericht keine Mängel oder Beanstandungen. 2018 wurde der Fall bekannt. Bis es überhaupt zum Prozess kommen konnte, vergingen fünf Jahre. Die Anklageschrift aus Oktober 2023 umfasste 100 Seiten und wurde auch von der Staatsanwaltschaft als verworren bezeichnet. Ein Urteil sollte ursprünglich im März 2024 fallen.
Die Geschäftsführerin nahm das Urteil am Mittwoch äußerlich gefasst auf. Sie schüttelte zwar immer wieder den Kopf, blieb aber verhältnismäßig gelassen und machte sich gelegentlich Notizen. Mit einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten bewegt sich das Urteil recht dicht an den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die im Schlussplädoyer drei Jahre und zehn Monate gefordert hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Auf Nachfrage von APOTHEKE ADHOC sagte die Geschäftsführerin: „Selbstverständlich haben wir gegen das heutige Urteil bereits Revision eingelegt.“
Der Prozess hatte bereits im Oktober 2023 begonnen. Neben der Geschäftsführerin war ein Rechtsanwalt aus Hessen wegen Beihilfe angeklagt. Dieser wurde nun wegen Beihilfe zum Inverkehrbringen gefälschter Medikamente zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 120 Euro verurteilt.
„Da die Kammer eine rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens angenommen hat, hat sie die Vollstreckungslösung angewandt und im Rahmen der Strafvollstreckung einen Abschlag vorgenommen. Das bedeutet im Ergebnis, dass im Hinblick auf die angeklagte Geschäftsführerin vier Monate der Haftstrafe und im Hinblick auf den weiteren Angeklagten 30 Tagessätze der tenorierten Geldstrafe als vollstreckt gelten“, erklärt das Gericht auf Nachfrage.
Der dritte Angeklagte – der Geschäftspartner der Frau – hatte mit einem Attest belegen wollen, dass er nicht verhandlungsfähig sei und war bei dem Prozess nicht erschienen. Ein Verfahren gegen ihn wird womöglich in Zukunft noch einmal getrennt aufgerollt werden. Dieser gilt als wirklicher Drahtzieher in dem Fall.
Der Fall schlug 2018 hohe Wellen. Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) trat zurück, weil das Landesgesundheitsamt trotz frühzeitiger Hinweise auf einen illegalen Handel nicht ausreichend eingeschritten sein soll.