Beamte können von der Beihilfe Unterstützung beim Kauf von OTC-Arzneimitteln erhalten – wenn sie für ärztlich verordnete Präparate mehr als 2 Prozent ihres Einkommens aufbringen müssen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) entschieden. Die nordrhein-westfälische Beihilfeverordnung muss nun dem Beihilferecht des Bundes angepasst und um eine Härtefallregelung ergänzt werden.
Geklagt hatten zwei Landesbeamte im Ruhestand, die an mehreren Krankheiten litten. Von ihren Ärzten hatten sie zahlreiche OTC-Präparate verschrieben bekommen, für die sie selbst zahlen mussten. Gegenüber dem Land machten sie daher das Vorliegen eines Härtefalls geltend.
Die Beihilfevorschriften des Bundes sehen vor, dass Beamte nicht mehr als 2 Prozent des jährlichen Einkommens für Leistungen zahlen müssen. Für Chroniker liegt die Belastungsgrenze bei 1 Prozent des Einkommens. Bei Kassenpatienten gelten diese Grenzen für die Zuzahlungsbefreiung, OTC-Medikamente werden dagegen nicht erstattet.
Die beiden Beamten forderten die Beträge zurück, die mehr als 1 Prozent ihres Einkommens ausmachten. Das Land lehnte ab und der Fall landete vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf. Das entschied bereits Anfang 2011, dass das Land verpflichtet sei, den Beamten eine Beihilfe für die OTC-Präparate zu gewähren, die mehr als 2 Prozent des Einkommens ausmachten.
Das OVG bestätigte das Urteil nun. Ob für die beiden Patienten auch eine niedrigere Belastungsgrenze von 1 Prozent vorzusehen sei, war in diesem Fall nicht mehr strittig. Die Richter merkten allerdings an, „dass die vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe, warum eine niedrigere Belastungsgrenze für Chroniker nicht geboten sein soll, nicht vollends zu überzeugen vermögen“.
Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfe sei rechtlich nicht zu beanstanden und wirksam, so die Richter. Allerdings sei zu beachten, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn dazu anhalte, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. „Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf“, heißt es in dem Urteil.
Dieser Verpflichtung sei das nordrhein-westfälische Beihilferecht aber teilweise nicht gerecht geworden. Die Ausnahmen für eine Erstattung – wenn OTC-Arzneimittel als Therapiestandard gelten, als Begleitmedikation zu einer Rx-Therapie eingesetzt oder zur Behandlung von Nebenwirkungen verschrieben werden – würden die Fürsorge des Dienstherrn nicht vollständig ausfüllen. Denn es gebe trotzdem Einzelfälle, in denen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel medizinisch notwendig seien und der Beamte finanziell überfordert werde.
Auch das Argument des Landes, in zahlreichen Fällen könnten statt des OTC-Arzneimittels ein verschreibungspflichtiges Medikament verordnet werden, so dass der Härtefall gar nicht entstehe, ließen die Richter nicht gelten. Es gehe bei der Verordnung um die vornehmlich von dem behandelnden Arzt zu beurteilende Frage des Anschlagens des Mittels, der individuellen Verträglichkeit und der möglichen Nebenwirkungen.
Schließlich beriefen sich die Richter auch auf Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), das mehrfach entschieden habe, dass der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger, medizinisch notwendiger Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit nur dann rechtmäßig sei, wenn in finanziellen Härtefällen, das heißt jenseits einer nach abstrakt-generellen Kriterien zu bestimmenden Belastungsgrenze, Beihilfe gezahlt werde.
Das OVG hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Dagegen kann das Land Nordrhein-Westfalen Nichtzulassungsbeschwerde erheben, über die das BVerwG entscheiden müsste.
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