Bis zum 1. März läuft die Unterschriftenaktion der ABDA zur Unterstützung der von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegten Gesetzesinitiative zum Rx-Versandverbot. Nach Berichten aus einzelnen Apotheken ist die Beteiligung der Kunden gut. Jetzt ruft die ABDA nochmals die Patienten auf, ihre Unterschriften zu leisten. Denn das letzte Drittel der auf siebzig Tage angelegten Unterschriftenaktion ist angelaufen.
„Tausende Kolleginnen und Kollegen sprechen täglich mit ihren Patienten und sammeln Unterschriften. Sie erfahren dabei viel positive Resonanz. Die Patienten haben Vertrauen in die Apotheke und dokumentieren das auch mit ihrer Unterschrift“, so ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in einer Mitteilung. Er bittet all diejenigen, die noch nicht unterschrieben haben: „Machen Sie mit, gehen Sie in die Apotheke, unterschreiben Sie! Auch Sie profitieren davon, selbst wenn Sie die Dienste von Apotheken nur selten in Anspruch nehmen müssen. Wenn Sie das nächste Mal nachts dringend ein Medikament benötigen und wir für Sie da sind, werden Sie es merken. Wenn es für Ihre Therapie keine Fertigarzneimittel gibt und wir eine Rezeptur speziell für Sie herstellen, werden Sie froh sein.“
Hintergrund der Unterschriftenaktion der ABDA ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016. Die Richter entschieden, dass ausländische Versandhändler sich nicht mehr an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) halten müssen, wenn sie Patienten in Deutschland mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln versorgen. Zu Lasten der Versichertengemeinschaft böten diese nun einzelnen Patienten Boni für Rezepte an und entfachen einen Preiswettbewerb, der den Fortbestand gerade kleiner Apotheken am Stadtrand und auf dem Land gefährde.
Zur Sicherung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung habe das Bundesgesundheitsministerium deshalb im Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Versandhandel mit ärztlich verordneten Medikamenten verbieten soll, wie dies bereits in 21 von 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende Rechtslage ist. Noch habe der Entwurf aber im Bundestag keine gesicherte Mehrheit. „Mit der Unterschriftenaktion im Rahmen der Kampagne ‚Gesundheitssystem in Gefahr!‘ stellen sich Patienten und Apotheker hinter das Gesetzesvorhaben“, so die ABDA.
Täglich versorgten die 20.000 Apotheken in Deutschland rund 3,6 Millionen Menschen. Jeden Tag würden 250.000 Botendienste erbracht, jede Nacht leisteten 1300 Apotheken ihren Notdienst, unterstreicht die ABDA nochmals die Rolle der Apotheken im Gesundheitssystem. Die Anzahl der gesammelten Unterschriften wird nach dem Ende der Aktion, also im Laufe des März, veröffentlicht. „Ob Unterschriften politischen Akteuren übergeben werden müssen, wird auch davon abhängen, welchen Verlauf das jetzt eingeleitete Gesetzgebungsverfahren nimmt“, so die ABDA. Schon seit Januar gebe es die Möglichkeit der Nachbestellung von Aktionsmaterialien, wie Sammelblöcke für Unterschriften und Abrissblöcke mit Patienteninformationen.
Nicht überall war die Unterschriftenaktion der ABDA positiv aufgenommen worden. Verschiedene Politiker hatten Kritik an den EU-kritischen Tönen der Unterschriftenaktion geübt. Für CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich ging die pauschale Europa-Schelte ebenso zu weit wie für Sabine Dittmar (SPD) und Kathrin Vogler (Die Linke). Sie warnten ABDA-Präsident Schmidt davor, Ängste zu schüren.
Dittmar warft der ABDA Polemik vor. „Die Apothekerschaft hat aus meiner Sicht bessere Argumente als diese populistische Unterschriftenaktion, die in keiner Weise den Sachverhalt wiedergibt, um ihren Stellenwert im Gesundheitssystem deutlich zu machen”, so Dittmar, für Arzneimittel zuständige Politikerin in der SPD-Bundestagsfraktion. „Anstatt Ängste zu schüren und antieuropäische Stimmung zu verbreiten, erwarte ich von einer Standesvertretung wie der ABDA, dass sie eine faktenbasierte Debatte führt.“
Auch die Linke hält die Unterschriftenaktion – bei allem Verständnis für die Sorgen der Apotheker – für überzogen: „Der Stil des ABDA-Aufrufs gefällt mir nicht“, so Vogler. „Fundierte EU-Kritik“ sei sicher gut und notwendig; die Linke kämpfe auch gerne mit der ABDA gegen den Versandhandel und den zunehmenden Einfluss der Großkonzerne auf das Gesundheitswesen. „Aber dabei überzeugen Argumente doch mehr als Ängste zu schüren vor den ‚gefährlichen Einflüssen von außen‘.“
CDU-Arzneimittelexperte Hennrich riet davon ab, aus dem Urteil pauschale EU-Kritik abzuleiten. „Ich teile die Sorge vieler niedergelassenen Apotheken, dass nach dem EuGH-Urteil Rabatte beim Rx-Versandhandel die flächendeckende Arzneimittelversorgung mit hochwertiger und individueller Beratung gefährdet ist. Ich rate allerdings davon ab, daraus eine pauschale Europa-Kritik abzuleiten. Vielmehr geht es darum, die SPD – auch mit diesen Unterschriften – davon zu überzeugen, ein europarechtskonformes Rx-Versandhandelsverbot mit durchzusetzen“, so Hennrich. Das „Manager Magazin“ kritisierte die angelaufenen ABDA-Unterschriftenaktion sogar als bisherigen „Höhepunkt einer der schrillsten und umfangreichsten Lobby-Aktionen in der Geschichte der Bundesrepublik“. Mit „nationalistischer Rhetorik“ zögen die deutschen Apotheker gegen neue Konkurrenten zu Felde.
Schmidt reagierte in der Pressemitteilung auf die an der Kampagne geäußerte Kritik und betonte, dass die Apothekerschaft hinter der europäischen Idee und dem EU-Binnenmarkt stehe. Kritik übe man aber an der konkreten Fehlentwicklung, dass europäische Institutionen an Punkten in das deutsche Gesundheitswesen eingreifen, deren Ausgestaltung auch nach dem Willen der Europäischen Verträge eigentlich Bundestag und Bundesregierung vorbehalten sei.
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