Eigentlich stand gestern der Frühjahrsempfang des Apothekerverbandes Köln ohne größere Überraschungen auf dem Plan. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat dann aber doch noch reichlich Diskussionsstoff „beschert“. Verbandschef Thomas Preis nahm daher auch zum geplanten Reformgesetz Stellung. Schon die Art und Weise der Veröffentlichung spreche für einen „unlauteren Politikstil“. Auch Baden-Württembergs Verbandschefin Tatjana Zambo äußert sich und sieht ein Nullsummenspiel, Manfred Saar, Kammerpräsident aus dem Saarland, befürchtet „Ramsch-Läden“.
Während die Apothekerschaft sich „stets dialogbereitet“ gezeigt habe, sei dieses „Durchstechen“ des Gesetzentwurfes an die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) kein angemessenes Verhalten, so Preis. Hinzu kämen die Unzulänglichkeiten im Gesetz: „Apotheken ohne Apotheker zu etablieren, ist ein völlig inakzeptables Kernziel Lauterbachs in diesem Gesetz. Das lässt die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgungssicherheit der Menschen in unserem Land vollkommen außer Acht und stößt auf unseren erbitterten Widerstand“, so Preis.
Die Bundesregierung überschreite damit rote Linien – im Sinne der Verantwortung für die Gesundheit der Menschen sehe die Apothekerschaft hier keine Spielräume für Kompromisse. „Unsere heil- und freiberufliche Brandmauer wird da unumstößlich bleiben und nicht weichen“, sagte Preis, der zudem mangelnde Einigkeit mit den beteiligten Ministerien der Ampelregierung in dieser Angelegenheit vermutet.
„Schließlich möchte auch niemand in einer Arztpraxis ohne Arzt behandelt werden oder in einem Flugzeug ohne ausgebildeten Piloten fliegen“, verdeutlichte Preis. Nach einem „wahren Schließungs-Tsunami“ im vergangenen Jahr, sehe es für dieses Jahr noch schlimmer aus.
Direkt noch gestern Nachmittag äußerte auch der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) scharfe Kritik am Gesetzentwurf zum „Gesetz für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform“ (ApoRG). Das Konzept von Apotheken ohne Approbierte und der Skalierung von Zweigapotheken sei nicht nur unzureichend durchdacht, sondern gefährde auch Qualität und Sicherheit Versorgung. „Ein solches Pseudo-Apotheken-Konzept als Zukunftsvision für die Arzneimittelversorgung in Deutschland verkaufen zu wollen, grenzt schon fast an Unverschämtheit – mindestens aber an vollständiger Unkenntnis der Versorgungsrealität“, kommentiert Zambo.
„Die geplante Regelung, dass die Apothekenleitung lediglich mindestens acht Stunden physisch anwesend sein muss und den Rest per Video erledigen soll, ist nicht einmal ein fauler Kompromiss. Eine solche Idee untergräbt die etablierten und hohen Standards der Arzneimittelversorgung und degradiert freie Heilberufler zu Schubladenziehern“, ergänzt Zambo.
Das Ausbauen der Zweigapotheken sei zudem „eine Bankrott-Erklärung des Ministers“, meint die Verbandschefin. Diese gehörten zur Notversorgung und zeigten als Element der Regelversorgung „die Hilf- und Planlosigkeit des Ministeriums“. Auch die Anpassung des Fixums stelle keine Verbesserung dar: „Linke Tasche, rechte Tasche: Diese Umverteilung unseres Honorars ist ein Nullsummenspiel. Was wir aber brauchen, um einen über elfjährigen Stillstand bei den apothekerlichen Honoraren auszugleichen, ist eine wirkliche Anpassung an höhere Betriebskosten, steigende Personalkosten, Einschränkungen im Einkauf und Inflation und andere Kostentreiber.“
Stattdessen könnte es mehr Geld durch mehr Impfungen und den Verkauf von Schnelltests in den Apotheken geben. Impfberechtigungen für Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und FSME stehen hier zur Debatte. „In Erinnerung an unsere Vergütung bei Corona-Schutzimpfungen oder an Grippeimpfungen bleibe ich sehr skeptisch. Ja, wir Apothekerinnen und Apotheker können mehr als wir dürfen. Aber solche zusätzlichen Aufgaben können eine Überlastung der Apothekenmitarbeiter bedeuten, wenn hierfür nicht angemessene personelle und finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden“, so Zambo.
Massive Bedenken und die „konstruktiven Vorschläge der Apothekerverbände“ wurden laut Zambo für den Gesetzentwurf weitgehend ignoriert. Eine grundlegende Überarbeitung des Entwurfs und ein echter Dialog mit den Apotheker:innen sei nun erforderlich, um gemeinsam praxisgerechte Lösungen zu entwickeln.
Saar bemängelt ebenfalls die erneute Veröffentlichung der Pläne an den Apotheken vorbei. Und: „Die Tatsache, dass der Bundesgesundheitsminister Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker zulassen will, zeugt davon, wie weit hier Realität und Anspruch auseinander liegen.“
Apotheken, „in denen pro Woche ein Apotheker oder eine Apothekerin lediglich acht Stunden mal vorbeischauen soll“, kämen der Demontage des jetzigen Apothekenwesens gleich. „Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Bei den von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nunmehr angedachten Apotheken handelt es sich nicht mehr um solche, sondern um Ramsch-Läden. Wenn das die Vision des Ministers für die zukünftige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ist, dann werden viele Patientinnen und Patienten gerade im ländlichen Raum erhebliche Schwierigkeiten haben, an benötigte Arzneimittel heranzukommen.“
Dass diese schwerwiegenden Veränderungen bewusst über die Presse lanciert wurden, sei „mehr als verstörend“ und „weder hilfreich noch zielführend“. Die Apothekerschaft gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass das BMG die Apotheken in der jetzigen Form nicht mehr wolle. Nach dem Skonto-Urteil habe sich die Notlage noch weiter zugespitzt. „Es wäre ein Einfaches gewesen, wenn die zuständigen Ministerien eine Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung vorgenommen und Skonti wieder erlaubt hätten. Dass nunmehr die Möglichkeit von Skonti mit dem Apotheken-Reformgesetz verknüpft werden soll, hat mehr als einen Beigeschmack.“
Um die angespannte finanzielle Situation wissend, solle der wirtschaftliche Druck offenbar ausgenutzt werden, um die „Idee der Ramsch-Apotheke durchzudrücken“.
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