Seit zwei Wochen verhandeln Experten aus Union und FDP über die künftige Gesundheitspolitik, heute trifft sich die Arbeitsgruppe vermutlich zum letzten Mal. Mitten in der heißen Phase befeuert ein Papier aus den Reihen der Union die Debatte: Fünf Mitglieder der alten Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die nicht an den Koalitionsgesprächen teilnehmen, haben den Verhandlungsführern der Union sowie der Parteispitze am vergangenen Freitag ihre „Kernforderungen an eine schwarz-gelbe Gesundheitspolitik“ zugespielt.
Das Papier wurde erst in der vergangenen Woche von den Abgeordneten Jens Spahn, Dr. Rolf Koschorrek, Maria Michalk, Michael Hennrich und Willi Zylajew erarbeitet. Welchen Einfluss sie damit auf den Fortgang der Gespräche haben, ist offen. Verhandlungsführerin Dr. Ursula von der Leyen spielt die Bedeutung des Papier herunter. Die Forderungen der Abgeordneten sind jedenfalls markant.
Um die Versorgung im ländlichen Raum zu garantieren, soll es in der ärztlichen Vergütung konsequenter Zu- und Abschläge für über- oder unterversorgte Gebiete geben. Ein solches Modell sollte den Abgeordneten zufolge „auch bei der Vergütung für andere Heilberufe geprüft werden“.
Im Bereich der Arzneimittel wollen die Abgeordneten ordentlich aufräumen: „Mittlerweile Überholtes wie Zwangsrabatte und Preismoratorien“ sollen abgeschafft werden, „das Nebeneinander von Festbeträgen und Rabattverträgen“ auf den Prüfstand gestellt werden. Für patentgeschützte Arzneimittel fordert die Arbeitsgruppe eine „konditionierte Zulassung“ für eine bestimmte Zeit; anschließend soll es eine Kosten-Nutzen-Bewertung geben. Spielt die Pharmaindustrie nicht mit, soll ein Höchsterstattungsbetrag festgelegt werden.
Auch an den Institutionen im Gesundheitssystem rütteln Spahn & Co: Der Gemeinsame Bundesausschuss soll besser legitimiert werden, indem die Mitglieder künftig vom Parlament oder dem Gesundheitsausschuss bestätigt werden. Beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sägen die Abgeordneten sogar ziemlich unverhohlen am Stuhl des Leiters Professor Dr. Peter Sawicki: Die Arbeit des IQWiG sei neu zu ordnen und müsse transparent und nachvollziehbar sein. „Diese Neuausrichtung muss sich auch an der personellen Spitze des Hauses niederschlagen“, befinden die Gesundheitsexperten der Union.
Der Gesundheitsfonds könne in seiner Grundstruktur erhalten bleiben, allerdings sollen die Kassen höhere Zusatzbeiträge verlangen dürfen. Zudem sei zu prüfen „ob nicht eine stringentere Umsetzung des Prinzips von Festzuschüssen bzw. Festbeträgen in weiteren Leistungsbereichen der GKV sinnvoll ist“. Neben einer Grundversorgung für alle sollen die Versicherten mehr „Wahlmöglichkeiten“ gegen Aufschlag erhalten. Mit dieser Idee dürften die Unionspolitiker zumindest beim Koalitionspartner in spe landen.
Die Forderungen entsprächen nicht den Positionen der Unions-Vertreter bei den Koalitionsverhandlungen mit der FDP, berichtet „Welt online“ unter Verweis auf das Umfeld von der Leyens. Es handele sich um ein Papier der Fraktion, dessen Inhalt als eine Art Wunschliste an die Verhandlungsgruppe verstanden werden müsse.
Allerdings: Die umstrittenen Kernfragen - etwa die Finanzierung des Gesundheitssystems - dürften nicht in der Arbeitsgruppe, sondern erst in der Mammutsitzung der Fraktionsspitzen am Wochenende geklärt werden. Dann dürfte sich abzeichnen, welche Wünsche tatsächlich in Erfüllung gehen.
APOTHEKE ADHOC Debatte