Union: Engpass-Zuschuss muss kostendeckend sein Patrick Hollstein, 18.01.2023 15:29 Uhr
50 Cent sollen Apotheken nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) abrechnen können, wenn sie wegen Lieferengpässen Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin halten müssen. Der Union geht das nicht weit genug, sie fordert eine kostendeckende Prämie.
Die Bundesregierung habe die Zeit seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode nicht dazu genutzt, um weitere Maßnahmen gegen Lieferengpässe auf den Weg zu bringen. „Vielmehr sind den Apothekerinnen und Apothekern sowie der pharmazeutischen Industrie im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz weitere Belastungen auferlegt worden, die die Situation künftig noch verschärfen werden“, heißt es in dem Antrag. „Aktuelle Äußerungen des Bundesgesundheitsministers erschöpfen sich lediglich in Ankündigungen und sind offensichtlich auch nicht mit den die Regierung tragenden Fraktionen abgestimmt.“
Lang- und mittelfristig wirkende Regelungen seien zwar unbestreitbar nötig, in der aktuellen Situation brauche es jedoch akute Maßnahmen. „Es bedarf daher eines schnellen und gemeinsamen Zusammenwirkens aller Beteiligten, um kurzfristige Lösungen auf den Weg zu bringen, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern.“ So müssten Arzneimittel, die zwar vorhanden, aber deutschlandweit nicht gleichermaßen verfügbar seien, schneller in die Regionen gelangen, in denen Mangel herrsche.
Apotheken „ertüchtigen“
Auch die Apotheken will die Union aktiver einbinden: „Apothekerinnen und Apotheker müssen bessere Möglichkeiten erhalten, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse bei der Herstellung von Arzneimitteln für die Versorgungssicherheit nutzen zu können.“ „Dienstleistungen in Apotheken, die zur präventiven Vermeidung von Lieferengpässen dienen“, sollten „kostendeckend“ vergütet werden. Und: Apotheken und Großhändler seien „zügig zu ertüchtigen, ihre Bevorratungsmöglichkeiten mit Arzneimitteln zu erweitern“.
Beschaffungsgipfel soll Lösungen suchen
Die Union schlägt in ihrem Antrag vor, unverzüglich einen Beschaffungsgipfel einzuberufen, der sich mit der kurz- und mittelfristigen Beschaffung und Verfügbarkeit von lebenswichtigen Arzneimitteln befasst. Neben Bund und Ländern sollten Ärztinnen und Ärzte, Krankenkassen, Apothekerinnen und Apotheker, die pharmazeutische Industrie, Großhändler und Krankenhäuser beteiligt werden.
Gemeinsam sollten alternative Beschaffungsmöglichkeiten für Arzneimittel aus dem Ausland geprüft und zügig umgesetzt werden. Unter Einbindung des Großhandels sollten alternative Verteilungs- und Austauschmöglichkeiten für Arzneimittel eruiert werden. Außerdem sollte unverzüglich ein nationales Frühwarnsystem etabliert werden, um auf künftige Lieferengpässe bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln rechtzeitig reagieren zu können. Dazu gehöre auch der Aufbau einer Datenbank für Arzneimittel, bei denen Lieferengpässe bestehen oder drohen.
Wichtige Arzneimittel insbesondere für Kinder und Krebspatienten sollten wieder primär in Europa produziert werden und eine Reserve für Arzneimittel aufgebaut werden. Schnellstmöglich sollten auch auf europäischer Ebene Gespräche über eine effektivere Beschaffung von Arzneimitteln geführt werden.
Medikamente vergriffen
„Die Versorgungslage mit Arzneimitteln hat sich in den letzten Monaten massiv verschlechtert. Fiebersäfte, Antibiotika, Insulin oder Krebsmedikamente sind zurzeit flächendeckend kaum noch erhältlich oder komplett vergriffen. Patientinnen und Patienten, insbesondere Familien mit Kindern, werden dadurch vor enorme Herausforderungen gestellt“, heißt es zur Begründung im Antrag.
Eine Ursache für Lieferengpässe ist laut Union die Produktionsverlagerung und -konzentration vieler Arzneimittel oder Grundstoffe in asiatische Länder – mit der Folge, dass Deutschland seinen Status als „Apotheke der Welt“ schon länger verloren habe. „Durch diese Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte ist eine Abhängigkeit entstanden, die wir nun merklich spüren. Insbesondere in der Coronapandemie wurde deutlich, welche Folgen die Störung von Lieferketten für die Versorgung haben kann. Diese Entwicklung droht sich zu wiederholen. So hat die Volksrepublik China im Dezember 2022 den Export von Ibuprofen und Paracetamol gestoppt.“