Nutzerprofile

Studie: Umstrittene Werbe-Tracker auf Umschau-Seite APOTHEKE ADHOC, 05.09.2019 11:25 Uhr

Nicht allein mit den Depressionen: Einer Studie zufolge geben Gesundheitsseiten sensible Daten an Drittanbieter weiter. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die Apotheken Umschau und Netdoktor.de sollen die Weitergabe teils sensibler Gesundheitsdaten von Besuchern ihrer Webseiten an Werbetreibende ermöglicht haben. Das wirft ihnen die Organisation Privacy International in einer gestern veröffentlichten Studie vor. Wer demnach Informationen zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen sucht, muss damit rechnen, dass beispielsweise über Werbe-Tracker Nutzer-Profile angelegt werden und diese Daten an Drittanbieter gehen, die damit personalisierte Werbung ausspielen. Der Wort & Bild Verlag weist die Vorwürfe zurück und betont, in Zusammenhang mit Werbeeinblendungen auf der Website der Apotheken Umschau keine personenbezogenen Daten an Werbetreibende übermittelt und selber Daten stets gesetzeskonform verwendet zu haben.

Für die Studie Privacy International wurden 136 Webseiten in deutscher, englischer und französischer Sprache analysiert – und auf fast allen Seiten Hinweise auf Drittanbieter gefunden. Das sind beispielsweise sogenannte Tracker, mit denen Werbe-Netzwerke Profile von Nutzern erstellen können, um Werbung dann gezielter auszuspielen. Es können also Informationen über mögliche Erkrankungen eines Nutzers gespeichert werden, ohne dass dieser sein Einverständnis gibt. Von den 44 in Deutschland untersuchten Seiten hatten fast zwei Drittel solche Werbe-Tracker eingesetzt.

Nutzer könnten durch solche Tracker die Kontrolle über ihre Daten verlieren, warnt Frederike Kaltenheuer, Leiterin der Abteilung Datenmissbrauch bei Privacy International. „Das Ökosystem der Werbevermarkter ist so intransparent, da ist nicht klar, in welche Hände die Daten gelangen“, zitiert sie der NDR. Beim Datensammeln für Werbezwecke gehe es „nicht nur darum, wer wir sind, was unsere Interessen sind, sondern auch, wo wir uns gerade aufhalten, wie wir uns gerade fühlen. Das kann auch zu anderen Zwecken genutzt werden“, so Kaltenheuer.

Der Wort & Bild Verlag, Herausgeber der Apotheken Umschau, erklärte auf Anfrage er habe Daten nur „entsprechend des Datenschutzes“ verwendet. Zurzeit prüfe er allerdings, ob die Werbung wirklich datenschutzkonform sei. „Bis diese Prüfungen abgeschlossen sind, hat der Verlag vorsorglich entschieden, die Werbung von seiner Website zu nehmen und damit auch alle Werbetracking-Tools zu entfernen.“ Wer sich auf der Seite der Apotheken Umschau über Depressionen erkundigte, übermittelte laut Privacy International ohne Zustimmung persönliche Daten an die Server von Drittanbietern, darunter Vermarkter von Nutzerdaten zu Werbezwecken. Ziel des Wort & Bild Verlages sei es nun, möglichst zeitnah ein erneuertes System einzusetzen, das den Anforderungen an Transparenz umfassend gerecht wird. Dazu stehe er mit IQ Digital, dem Vermarkter seiner Werbeflächen, sowie der Datenschutzbehörde in enger Abstimmung. „Jeder Leser und User unserer Seite muss optimal informiert sein und über ein verbessertes Abfrage-System die Auswahl haben, wozu er seine Einwilligung geben will“, so Geschäftsführer Dr. Dennis Ballwieser.

Netdoktor.de verwehrte sich gegen die Vorwürfe. Eine Speicherung gesundheitsbezogener Daten finde nicht statt, so eine Sprecherin. Nutzer könnten lediglich anhand „eines Pseudonyms erkannt ('getrackt') werden“. Dieses Vorgehen erfolge im Einklang mit geltenden Datenschutzregeln. „Es wird weder gespeichert, auf welcher konkreten Seite (...) ein Nutzer wie lange verweilt, noch wird festgehalten, welches Leseverhalten ein User in Bezug auf Gesundheitsinformationen hat.“

In den Datenschutz-Erklärungen, die Netdoktor selbst im Internet veröffentlich hat, heißt es hingegen, man nutze die Dienste eines Drittanbieters, um „Nutzerverhalten (z. B. Mausbewegungen, Klicks, Scrollhöhe) auf unseren Internetseiten erfassen und auswerten“ zu können. Nach einer Anfrage von NDR und Süddeutscher Zeitung hat Netdoktor einen zusätzlichen Datenschutzhinweis auf der Seite angebracht, in dem es heißt: „Auf diesem Angebot werden Nutzungsdaten durch uns und eingebundene Dritte erfasst und ausgewertet (sg. Tracking), u. a. mittels Cookies. Die Nutzung der Seite gilt als Zustimmung zur Cookie-Nutzung.“

Noch mehr als deutsche sind laut der Studie französische Nutzer von Tracking-Tools betroffen. Während von 44 untersuchten deutschen Seiten fast zwei Drittel Tracker einsetzten, waren es von den 41 untersuchten französischen über 90 Prozent. Als besonders eklatantes Beispiel nennt Privacy International die Seite Doctissimo.fr, ein Pendant zu Netdoktor.de. Die Ergebnisse eines dort angebotenen Depressionen-Tests werden demnach samt Identifikation an den Drittanbieter Qualifio, von dem der Test stammt, weitergeleitet. „In der Folge weiß das Unternehmen von jeder individuell identifizierbaren Person, bei welchen Fragen sie welche Antworten gegeben hat“, so Privacy International. „Weil die Anfrage statt in HTTPS in http gesendet wird, ist der Test potenziell anfällig für das Abfangen dieser Daten.“