Alles zurück auf Los: Der Gerichtsstreit um das Nationale Gesundheitsportal (NGP) wird neu aufgerollt. Wie das Oberlandesgericht Köln (OLG) soeben entschieden hat, hätte der Wort & Bild Verlag gar nicht vor dem Landgericht gegen das Bundesgesundheitsministerium (BMG) klagen dürfen. Nun beginnt der Prozess vor dem Verwaltungsgericht Köln von vorn.
Das OLG erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig. Das LG habe es versäumt, bei der Prüfung der Unterlassungsklage eine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu treffen. Diese Entscheidung sei nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nachzuholen, was zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht führe.
Die Feststellung des Rechtswegs sei unter Prüfung des Rechtsstreits nach allen für den prozessualen Anspruch in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu treffen. Wenn – wie hier – eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehle, sei für die Abgrenzung von zivilrechtlicher beziehungsweise wettbewerbsrechtlicher Streitigkeit und öffentlich-rechtlicher Streitigkeit auf die Natur des Rechtsverhältnisses abzustellen, aus der der Klageanspruch abgeleitet werde. Maßgeblich sei die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag der Klägerseite darstelle.
Unter Beachtung der geltenden Grundsätze sei die Natur des hier geltend gemachten Unterlassungsanspruchs öffentlich-rechtlicher Art. Da der Betrieb der Website in § 395 Sozialgesetzbuch (SGB V) gesetzlich geregeltsei, stehe das Handeln des BMG in Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Ob sich die streitbefangenen Informationen ihrem Inhalt nach auf privatrechtliche Sachverhalte bezögen, sei für die Bestimmung des Rechtsweges unerheblich; entscheidend sei allein, in welcher Funktion das BMG das NGP betreibe; dies erfolge hier in einem Über-/Unterordnungsverhältnis.
Dass das BMG sich mit dem Portal nicht in eine gleichstufige Rechtsbeziehung zum Wort & Bild Verlag setze, in der es sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstelle, zeige sich hier letztlich auch am Fehlen einer wettbewerbsrechtlichen Beziehung, so das OLG.
Die Parteien seien in Bezug auf das NGP keine Mitbewerber. Das BMG trete durch die Erfüllung der ihm in § 395 SGB V zugewiesenen öffentlichen Aufgabe nicht als Unternehmer in ein konkretes Wettbewerbsverhältnis mit den Anbietern anderer Gesundheitsportale, weil das sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage haltende Informationsangebot kostenfrei und nicht werbefinanziert sei.
Das Angebot richte sich im eigentlichen Sinn nicht an Verbraucher, sondern an die Bevölkerung im Allgemeinen, die auch nicht im Geschäftsverkehr handele, wenn sie sich mittels des Portals über Gesundheitsthemen informiere. Allein der Umstand, dass der Wort & Bild Verlag die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Normen rüge, mache den Rechtsstreit nicht zu einer zivilrechtlichen Streitigkeit.
Unerheblich sei im Übrigen, dass § 395 SGB V zum Zeitpunkt der hiesigen Klageerhebung noch nicht in Kraft gewesen sei; die Natur des Rechtsverhältnisses sei vor Einführung des § 395 SGB V keine andere gewesen.
Der Wort & Bild Verlag hatte in dem Portal eine unzulässige Konkurrenz gesehen, das LG hatte dem BMG tatsächlich untersagt, das NGP weiterzubetreiben. Die Plattform verstoße gegen den Grundsatz der Staatsferne der Presse, da die große Mehrheit der eingestellten Artikel die Grenzen zulässigen staatlichen Informationshandelns überschreite. Einerseits gehe es nicht um die Gefahren bezogene Information der Bürger zur Abwehr konkreter akuter Gefahrensituationen, noch um die Erklärung und Darstellung von Regierungspolitik. Vielmehr handele es sich bei der Rubrik „Krankheiten A-Z“ um eine Art „Gesundheitslexikon, in welchem das BMG Informationen allgemeinster Natur internettypisch aufbereite und zur Verfügung stellt“. Und in der Rubrik „Gesund leben“ gebe es nur allgemeine Tipps und Ratschläge für „gesundes Leben“.
Die Richter stellten auch eine gewisse Ähnlichkeit zum Angebot von Wort & Bild fest: Die Artikel seien „nahezu identisch strukturiert und weisen auch im Hinblick auf ihre grafische Gestaltung und Illustrationen eine frappierende Ähnlichkeit auf – und verfolgen dieselbe Zielsetzung“.
Und ganz so unabhängig wie behauptet ist das Portal laut Urteil bei BMG-Themen dann auch wieder nicht. Während in der Rubrik „Pflege“ noch in zulässiger Weise über die Leistungen des Staates beziehungsweise der Pflegeversicherung informiert werde, verletze das BMG in der Rubrik „Gesundheit Digital“ die Pflicht des Staates zu neutralem und sachlichen Informationshandeln. „Die Beiträge zum E-Rezept und zum elektronischen Impfpass lassen eine differenzierte Darstellung vermissen. Kritisch zu beurteilende Aspekte werden nicht dargestellt, sondern ausschließlich die Vorteile und Chancen der digitalen Errungenschaften.“
Das NGP ist seit September 2020 am Netz; der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollte damit ein Angebot schaffen, bei dem sich Bürgerinnen und Bürger zu Krankheiten und Therapien informieren können. In den vergangenen Jahren flossen insgesamt rund 15 Millionen Euro in das Projekt.
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