Zum Thema Korruption im Gesundheitswesen sollten Fachgesellschaften, Universitäten und Ärztekammern verpflichtende Aufklärungsveranstaltungen anbieten. Dies fordern Transparency Deutschland, die Ärzteinitiative Mezis („Mein Essen zahl ich selbst“) und Leitlinienwatch.de zum heutigen Internationalen Antikorruptionstag.
Den meisten Ärzt:innen sei nicht bewusst, wie stark sie von der Industrie beeinflusst sind, wenn sie medizinische Geräte anwenden oder Medikamente verschreiben, so die drei Organisationen. Im Studium würden sie nicht darauf vorbereitet, welche Folgen beispielsweise Interessenkonflikte, Befangenheit, Sponsoring und Datenhoheit haben können. Kooperationen und Kontakte mit Herstellern von Geräten und Arzneimitteln seien zwar fachlich notwendig. Die Hersteller seien aber meist profitorientiert handelnde Akteure. Deshalb müssten Ärzt:innen vorbereitet werden, ihnen kritisch-distanziert entgegentreten zu können.
Während in den USA zahlreiche namhafte Pharmafirmen bereits wegen Korruption angeklagt wurden, gebe es solche Verfahren hierzulande bisher nicht. Aber immer wieder fielen einzelne Mediziner:innen wegen sehr hoher Honorarzahlungen aus der Industrie auf. „Doch auch für Interessenkonflikte im nicht strafrechtlich relevanten Bereich, zum Beispiel im Zusammenhang mit Sponsoring, muss mehr Sensibilisierung erfolgen“, so die drei Organisationen.
Ärzt:innen kommen demnach in ihrem Berufsleben täglich mit dieser Problematik in Kontakt, als Beispiele genannt werden etwa das Verschreiben von Medikamenten, deren Studiendaten nicht vollständig veröffentlicht sind oder der Einsatz von Mustern. Auch die Teilnahme an gesponserten Veranstaltungen und Kongressen oder an Studien, Anwendungsbeobachtungen oder Befragungen, die von Firmen bezahlt werden, sowie bezahlte Vorträge, Beratungen oder Artikel werden kritisch gesehen. Selbst das Lesen von Fachzeitschriften, die durch Anzeigen der Industrie finanziert werden, oder die Mitgliedschaft in gesponserten Vereinigungen könne Ärzt:innen beeinflussen. Selbst Leitlinien werden kritisch gesehen, wenn an ihnen Expert:innen mit Interessenkonflikten beteiligt gewesen sind.
Untersuchungen zeigten, dass direkte und indirekte Industriekontakte das Verschreibungsverhalten und Urteilsvermögen zugunsten einzelner Medikamente, Geräte oder Firmen beeinflussen. „Finanzielle Beziehungen verhindern, dass kritische Themen angesprochen werden, zum Beispiel Preisgestaltung, eine unzulängliche Studienlage oder Scheininnovationen.“
Ärzt:innen könnten nur dann Medikamente und Geräte verantwortungsvoll anwenden, wenn ihnen das gesamte Beeinflussungs-Repertoire bewusst sei und sie gelernt hätten, damit umzugehen. Nur dann könnten Patient:innen ihnen vertrauen.
Verwiesen wird auf einen Beschluss des Medizinischen Fakultätentag aus dem Juni, in dem ebenfalls Lehrveranstaltungen zum Themenkomplex „Transparenz und Umgang mit Interessenkonflikten an den medizinischen Fakultäten“ gefordert wurden. Leitlinienwatch.de, Transparency und Mezis hatten sich bereits im März in einer gemeinsamen Stellungnahme dafür ausgesprochen, die Ärzt:innen für das „umfangreiche Beeinflussungs-Repertoire der Konzerne“ zu sensibilisieren.
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