Ullmann: Reform braucht „gravierende Änderungen“ Laura Schulz, 10.07.2024 11:42 Uhr
In der gestrigen Printausgabe der Zeitung „Welt“ sowie im Online-Portal erschien ein weiterer Artikel, der sich mit der kommenden Apothekenreform auseinandersetzt. Ähnlich wie die Süddeutschen Zeitung (SZ) zuletzt, berichtet der Beitrag erstaunlich wohlwollend über die Kritik aus der Apothekerschaft am Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums. Zu Wort kommen erneut Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sowie Dr. Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, und zudem als Stimme aus der Basis Inhaberin Franziska Utzinger, die inzwischen auch im Vorstand des Bayrischen Apothekerverbandes sitzt. Selbst die als Gegenpart gesetzte Ökonomen-Stimme von Dr. Christian Knobloch sieht Grenzen der Reform.
Ullmann teilte den Artikel auf seinem LinkedIn-Account und schrieb dazu neben dem Statement, das auch in der „Welt“ zu lesen war: „Zweifelsohne muss die Apotheke der Zukunft überdacht werden, unter anderem die Versorgung vor allem in den ländlichen Regionen und der demographische Wandel. Mit allen Vorteilen, die uns die technische Entwicklung heute bereits bietet, unter anderem die Telepharmazie, muss die professionelle pharmazeutische Versorgung flächendeckend zukunftssicher gemacht werden.“
Die FDP-Fraktion habe in dieser Legislaturperiode „nie einem Kabinettsentwurf unverändert zugestimmt“, der im Gesundheitsbereich unterbreitet wurde. Ullmann geht daher von „gravierenden Änderungen“ im parlamentarischen Verfahren aus. „In der jetzigen Form können und werden wir dem Gesetz nicht zustimmen können. Da braucht es immer noch viel Input seitens der Abgeordneten der Koalition, bis dieses Gesetz praxistauglich ist und verabschiedet werden kann.“
„Welt“ berichtet überwiegend wohlwollend
Die Autorin geht in dem Artikel auf die enge Bindung zu den Menschen vor Ort ein, die Utzinger und ihr Team in der St.-Cosmas-Apotheke in Pfuhl bei Neu-Ulm in Schwaben hatten. Doch Ende vergangenen Jahres schloss Utzinger diese Filiale. Es habe sich wie Scheitern angefühlt, erzählt die Pharmazeutin, die aus einer Apothekerfamilie stammt, der „Welt“. Dabei hätten Personalprobleme und wirtschaftliche Probleme ihr keine andere Wahl gelassen.
Eine von vielen Schließungen im vergangenen Jahr, so das Nachrichtenblatt aus der Springer-Gruppe. „Nicht jede dieser Schließungen ist problematisch; insbesondere in Ballungsgebieten ist die Apothekendichte sehr hoch. In ländlichen Gebieten kann eine Schließung jedoch dazu führen, dass Patienten nicht mehr versorgt werden und erst lange Wege zur nächsten Apotheke fahren müssen – sofern sie überhaupt mobil sind“, heißt es im Artikel weiter.
Karl Lauterbach (SPD) wolle nun Struktur und Vergütung der Apotheken reformieren, jedoch auf eine Art und Weise, die von der Apothekerschaft abgelehnt werde. Sie „laufen gegen die Pläne Sturm, wüten, die Reform sei ein ‚schwerer Tabubruch‘“. Die Degradierung auf reine Abgabestellen und die Zerstörung des bisher bekannten Systems kämen hier als Argumente von den Pharmazeut:innen.
Light-Konzept „hoch umstritten“
Die Inhalte des Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG) werden knapp heruntergerissen; es klingt für die Leser:innen nach kommenden Erleichterungen für die Branche. „Hoch umstritten“ sei hingegen das Light-Konzept mit der Führung einer Filiale durch PTA mit möglicher Zuschaltung einer oder eines Approbierten per Telepharmazie. Der Leiter müsse nun noch acht Stunden pro Woche vor Ort sein – „etwa, um starke Schmerzmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz abzugeben, was den Assistenten rechtlich nicht erlaubt ist. Für Patienten kann dies bedeuten, dass sie ihre Schmerzmittel künftig nur noch an einem ausgewählten Tag in der Woche bekommen.“
Overwiening bekräftigt gegenüber der „Welt“ ihre Ablehnung der Reformpläne: „Auf Apothekerinnen und Apotheker in der Apotheke zu verzichten sowie die Ausstattungen und Öffnungszeiten der Apotheken einzuschränken — das ist ein großer verbraucherpolitischer Schaden, der Leistungskürzungen und Qualitätseinbußen bei den Patientinnen und Patienten nach sich zieht.“
Gegenstimme von der Forschungsstelle für Apothekenwirtschaft
Doch auch einen Gegenpart zur Ablehnung der Apothekerschaft gibt es in dem Artikel: Dr. Christian Knobloch, Leiter der Forschungsstelle für Apothekenwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. „Die Intention der Reform ist es nicht, Apotheken kaputtzumachen, sondern diese auf dem Land zu erhalten“, wird der Volkswirtschaftler zitiert. Er bekräftigte bereits vor wenigen Wochen, dass er in Lauterbachs Reform durchaus sinnvolle Ansätze sieht, denen aus der Apothekerschaft zumindest mit einer konstruktiven Debatte geantwortet werden sollte. Ein Light-Konzept sollte jedoch für versorgungsschwache Regionen vorbehalten werden. Aber: „Es ist nicht zielführend, dass die Apothekerschaft alle Vorschläge ablehnt und stattdessen nur mehr Geld fordert.“
Unterstützung von Matusiewicz & Ullmann
Mehr Verständnis für die Apothekerschaft habe Gesundheitsökonom Dr. David Matusiewicz, der ebenfalls bei der „Welt“ zu Wort kommt: „Der hier angestrebte Systemwechsel zu mehr bloßem Handel mit Arzneimitteln kommerzialisiert die Versorgung.“ Zudem seien Apotheken aktuelle „fast die einzige Möglichkeit in Deutschland, ohne Termin auf einen Akademiker im Gesundheitswesen zu treffen.“ Ein Light-Konzept sei wenig geeignet, dem Apothekensterben auf dem Land zu begegnen, meint er.
Unterstützung bekommen die Apotheken auch bei der „Welt“ aus bekannter Richtung: „Für mich und uns als AG Gesundheit der FDP-Bundestagstraktion steht fest, dass es keine Apotheken ohne Apotheker geben wird“, so der gesundheitspolitische Sprecher der Liberalen, Ullmann. In der jetzigen Form könne der Apothekenreform nicht zugestimmt werden. Am Ende schließt der Beitrag wieder mit Apothekerin Utzinger, die die Flexibilisierung der Öffnungszeiten und eine geteilte Filialleitung zwar befürworte, sonst aber keine gewinnbringenden Vorteile in dem Gesetzesvorhaben sieht, ihre Filiale hätte sie selbst bei bereits umgesetzter Reform schließen müssen. Auch die Abda verweist auf den Zeitungsartikel sowie ausschließlich auf die unterstützenden Stimmen darin aus Politik und Wissenschaft.