Apotheken an Notfallzentren

Ullmann: „Hier werden wir genau hinschauen“

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Berlin -

Medizinische Hilfe im Notfall soll in Deutschland besser organisiert werden. Der Bundestag hat mit den Beratungen über eine entsprechende Reform der Ampel-Koalition begonnen. Sie sieht angesichts oft überfüllter Notaufnahmen eine bessere Patientensteuerung vor, wie es aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt. Ziel ist es laut dem Gesetzentwurf, „für alle Hilfesuchenden eine bundesweit einheitliche und gleichwertige Notfallversorgung sicherzustellen“.

Heute Abend fand die 1. Lesung zur Notfallreform statt und neben Lauterbach meldeten sich auch die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen zu Wort. Worin sich alle einig sind: Es braucht eine Reform, eine bessere Patientensteuerung. Nur über das Wie gibt es noch Unstimmigkeiten.

Ambulanzen und Notaufnahmen seien überlastet, was zu Unmut und Gewalt gegenüber dem Personal führe, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in seiner Erklärung zur Reform. Patient:innen müssten besser gesteuert werden, und Akutleitstellen sollten zusammengeführt werden. Bei den neuen Notfallzentren wolle man auch die Kinder berücksichtigen – mindestens telemedizinisch, so der Gesundheitsminister, was ihm Applaus seiner Partei einbrachte. Genauso wichtig sei der Verweis auf die ebenfalls notwendige Reform des Rettungsdienstes. „Jeden Tag sterben Menschen, die nicht sterben müssten, wenn wir ein besseres System hätten“, so Lauterbach.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Tino Sorge, sagte, dass man sich einig sei, dass die Notfallreform kommen müsse. Die Frage sei nicht, ob die Reform notwendig sei, sondern wie. „Schade, dass wir so lange gebraucht haben“, meinte er zudem und verwies auf einen ersten Reformentwurf, der bei Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn (CDU) „leider“ nach Protest der Länder „versandete“. Die Ressourcen müssten nun viel besser genutzt und Parallelstrukturen abgeschafft werden.

Dr. Janosch Dahmen, Gesundheitssprecher der Grünen, forderte unter anderem eine Berücksichtigung der telemedizinischen Beratung rund um die Uhr sowie neue Aspekte wie das Berufsbild der Community Health Nurses.

FDP will Apotheken im Blick behalten

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Dr. Andrew Ullmann, sieht in dem Reformentwurf einen Schritt in die richtige Richtung, es brauche aber noch eine bessere Koordination. Im parlamentarischen Verfahren werde man zudem noch weitere Details klären, niedergelassene Ärzt:innen dürften beispielsweise nicht noch weiter belastet werden. Den Aspekt der an den Notfallzentren zu integrierenden Apotheken findet Ullmann noch nicht zu Ende gedacht – „hier werden wir genau hinschauen“.

Neben viel positiven Zuspruch zum Reformvorhaben gab es Kritik vor allem von Seiten der Linken. Laut Kathrin Vogler verschärfe die Reform die vorliegenden Probleme, statt sie zu lösen. Zwar klingen die derzeitigen Überlegungen vielversprechend, „aber wo ist die Finanzierung und woher kommt das zusätzliche Personal?“

Das Thema Apotheke griff schließlich Dirk Heidenblut (SPD) noch einmal auf. „Den Apotheken können wir danken, das wir dort ein gutes Notfallsystem haben.“ Ziel müsse sein, dieses System gut zu in die anstehende Reform zu integrieren.

Verzahnungen und „Akutleitstellen“

Eingeführt werden sollen sogenannte Akutleitstellen, bei denen Patientinnen und Patienten jenseits schwerer Notfälle eine Ersteinschätzung von Ärztinnen und Ärzten zum weiteren Vorgehen bekommen können. Eine zentrale Forderung ist die Verzahnung der Notfallnummern 116 117 und 112, um Fehlsteuerungen zu vermeiden, die zu Überlastungen in Notaufnahmen und Rettungsdiensten führen. Zukünftig sollen akute Fälle von Akutleitstellen unter der Nummer 116 117 statt von Terminservicestellen vermittelt werden. Diese Akutleitstellen werden mit den Rettungsleitstellen vernetzt, um die Patientensteuerung zu verbessern, wobei die Behandlungsdringlichkeit standardisiert beurteilt wird.

Zudem ist geplant, die Rufnummern 112 und 116 117 digital zu vernetzen, um die Übermittlung von Patientendaten zu optimieren. Die 116 117 soll rund um die Uhr telemedizinische und aufsuchende Notdienste anbieten, einschließlich einer kinder- und jugendmedizinischen Telemedizin, die Versorgungslücken schließen und insbesondere immobile Patienten unterstützen kann.

Erreichbar sein sollen sie bundesweit unter der Telefonnummer 116 117. Rund um die Uhr soll es über diese Nummer einen Notdienst mit einem Arzt oder einer Ärztin geben – auch über Video zugeschaltet. Hausbesuche sollen ebenfalls möglich sein. Bei schweren Notfällen wie einem Herzinfarkt oder einem Autounfall gilt weiter die Notrufnummer 112.

Ersteinschätzung in „integrierten Notfallzentren“

Bundesweit sollen integrierte Notfallzentren in der Regie von Kliniken aufgebaut werden. Die Zentren kombinieren die Notaufnahme des Krankenhauses mit einer Notdienstpraxis. Am Empfangstresen der Notfallzentren soll es eine Ersteinschätzung geben, wohin es für Hilfesuchende als Nächstes gehen soll, entweder in die Notaufnahme oder in eine nahegelegene Notdienst- oder sogenannte Kooperationspraxis.

Nach der ersten Debatte über das Gesetz im Bundestag gibt es weitere Beratungen. Ein genauer Zeitpunkt für die Verabschiedung ist noch nicht bekannt.

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