Pflegekosten und Krankenkassen

TV-„Schlussrunde“: Wahlkampfdebatte auch mit Gesundheit

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Berlin -

Kurz vor der Bundestagswahl gerieten die Spitzenvertreter der im Parlament vertretenen Parteien in der „Schlussrunde“ von ARD und ZDF aneinander. Auch gesundheitspolitische Themen sorgten für Diskussionen – insbesondere bei der Pflegefinanzierung. 

Versprochen hatten die Sender eine Diskussionsrunde über Themen, die bislang zu kurz gekommen seien und die junge Leute interessierten – ein Vorsatz, der eingehalten wurde: Gesundheit, Pflege, Dienstpflicht, Klima kamen auf den Tisch.

Positionieren konnten sich dazu die Generalsekretäre von SPD und CDU, Matthias Miersch und Carsten Linnemann, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), FDP-Chef Christian Lindner, AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, Linke-Chef Jan van Aken und BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht.

Kranken- und Pflegeversicherung

Lindner sprach sich vehement gegen eine Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung aus. „Eine Einheitskasse, Staatsmedizin führt in die falsche Richtung“, warnte er. Erst schaffe man die Wahlfreiheit zwischen den Krankenkassen ab, als Nächstes dann die Wahlfreiheit oder zu welchem Arzt man gehe, sagte Lindner. „Wahlfreiheit ist ein Teil der Qualität unseres Gesundheitssystems.“

Wagenknecht konterte: „Wenn sie sagen, es gibt eine Wahlfreiheit, das ist doch ein Hohn. Die meisten Menschen können sich doch nicht aussuchen, in welcher Kasse sie sind.“ Es müsse ein gemeinsames System für alle geben und eine wirklich solidarische Finanzierung, forderte sie. Das sah Linke-Chef van Aken ähnlich.

SPD-Generalsekretär Miersch prangerte die totale Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Versicherten bei Fachärzten an. Dies müsse sich ändern. Miersch warb in der Sendung erneut für den Vorschlag seiner Partei, den Eigenbeitrag für die Pflege bei 1000 Euro zu deckeln. Dazu solle bei den Zuschüssen umgeschichtet werden.

Weidel sorgte besonders bei Ex-Finanzminister Lindner für Kopfschütteln. Sie forderte, dass Menschen, die Familienangehörige pflegen, monatlich 2000 bis 3000 Euro bekommen sollen. „Hier wird die ganze Zeit viel Geld verteilt“, kritisierte der FDP-Mann und appellierte an junge Menschen, für ihre spätere Pflege auch privat vorzusorgen.

Wehrpflicht oder Dienstpflicht

Am weitesten ging die AfD-Chefin, indem sie sich für eine zweijährige Wehrpflicht aussprach. „Wir sind nicht mehr fähig zur Landesverteidigung“, war eines ihrer Argumente. Zudem diene die Wehrpflicht auch der Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Armee. Die Unionsvertreter Linnemann und Dobrindt machten sich stattdessen für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr stark, das etwa bei der Bundeswehr, der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk abgeleistet werden kann.

FDP-Chef Lindner lehnte den AfD-Vorstoß kategorisch ab und warnte vor einem „gewaltigen Freiheitseingriff bei jungen Menschen“. Auch von BSW-Gründerin Wagenknecht kam Widerspruch: „Wir brauchen eine Bundeswehr, die uns verteidigen kann – dafür brauchen wir aber keine Wehrpflicht.“

Uneinigkeit auch beim Klimaschutz

Linke-Chef van Aken warnte vor Abstrichen beim Klimaschutz und forderte mehr soziale Abfederungen. Zuschüsse zu Wärmepumpen könnten beispielsweise gestaffelt werden: Geringverdiener könnten 100 Prozent der Zusatzkosten ersetzt bekommen, während Vielverdiener keine Subventionen erhalten. „Dann kriegen Sie plötzlich eine ganz breite Zustimmung in der Bevölkerung.“

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht bekannte sich zur Klimaneutralität bis 2045 – wenn es bis dahin die nötigen Technologien gebe. „Nur ich halte nichts davon, dass Klimaschutz dadurch vorangetrieben wird, dass man den Menschen das Leben verteuert.“ Oft hätten sie gar keine Alternative. Es könne nicht jeder von seinem Wagen mit Verbrennermotor auf ein E-Auto oder den öffentlichen Nahverkehr umsteigen.

Linnemann arbeitete sich einmal mehr am Heizungsgesetz der Ampel-Koalition ab. „Das war doch ein Fiasko.“ Beim Klimaschutz brauche es Planungssicherheit, auch in puncto Förderprogramme und Technologieoffenheit.

Ukraine und Sicherheit in Europa

An der Ukraine und am Kurswechsel der neuen US-Regierung unter Donald Trump gegenüber dem Verbündeten Europa kam die Runde nicht vorbei. Baerbock betonte, dass, wenn die starke Unterstützung der USA jetzt vielleicht nicht mehr der Fall sein sollte, „dann müssen wir Europäer unseren eigenen Frieden noch stärker sichern“.

Für SPD-Generalsekretär Miersch waren absehbar höhere Ausgaben für Verteidigung der Anlass, um eine Reform der Schuldenbremse zu verlangen. Dobrindt lehnte das ab; es müsse auch „aus dem Haushalt heraus möglich sein“. Linnemann verlangte, Deutschland müsse eine Führungsrolle in Europa übernehmen und eine Priorität auf die Verteidigungsfähigkeit setzen.

Völlig konträr waren die Positionen zur weiteren Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine. Weidel forderte, Deutschland solle sich gar nicht mehr engagieren, nicht mit Waffenlieferungen und auch nicht mit finanziellen Hilfen. Wagenknecht warnte vor einem „wahnwitzigen Wettrüsten“. Und van Aken sorgte für Aufsehen mit der These, Deutschlands Sicherheit wäre langfristig sicherer, wenn die Nato zerfiele.

Noch viele Wählerinnen und Wähler unentschieden

Die Parteien hoffen, mit Talkrunden wie diesen noch unentschlossene Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen. Deren Zahl liegt nach dem soeben veröffentlichten ZDF-Politbarometer bei 27 Prozent. Die Erhebung brachte für die Union nichts Gutes – sie fiel um zwei Punkte auf 28 Prozent. Die AfD als zweitstärkste Kraft konnte um einen Punkt auf 21 Prozent zulegen. SPD und Grüne verharren bei 16 beziehungsweise 14 Prozent.

Die Linke käme mit 8 Prozent (+1) sicher in den Bundestag. FDP und BSW müssten um den Einzug ins Parlament bangen. In der Umfrage kommen beide auf je 4,5 Prozent, je einen halben Prozentpunkt mehr als in der Vorwoche.

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