Kommentar

Tücken und Chancen in Spahns Apothekengesetz

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Berlin -

Nomen est omen oder sind Namen Schall und Rauch? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seinen Entwurf „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ genannt – und normalerweise sind Eltern bei der Taufe ja sehr überzeugt davon, die richtige Namenswahl getroffen zu haben. Aber stimmt das? Können die Apotheker zufrieden sein? Chefredakteur Alexander Müller wägt ab.

Ein wichtiges Ziel haben die Apotheker erreicht: Spahn will Rx-Boni verbieten und so die Gleichpreisigkeit wiederherstellen. Erster Wermutstropfen: Damit ist das Rx-Versandverbot endgültig vom Tisch – für aufmerksame Zuhörer war es das allerdings spätestens seit dem DAT.

Doch die alternativ erwünschte Gleichpreisigkeit hat ebenfalls ihre Tücken, die vor allem in der rechtlichen Unsicherheit begründet sind. Denn je nach politischer Großwetterlage wurde der Umzug der Preisbindung in das SGB V sehr unterschiedlich bewertet. Mal galt es als Ideallösung, um den EU-Behörden den Zugriff auf die Sozialgesetzgebung zu entziehen. Auf der anderen Seite galt das Argument, dass es dem EuGH ziemlich schnuppe ist, in welchem Gesetzbuch ein aus seiner Sicht Binnenmarkt-störendes Gesetz steht.

Spahn versucht es trotzdem jetzt auf diesem Weg und schreibt sich die nationale Zuständigkeit gleich in die Begründung seines Entwurfs. Ob das für Brüssel und Luxemburg reicht, wird sich zeigen. Denn mit der Ausklammerung der PKV aus dem Boni-Verbot könnte der gesetzgeberische Verschiebebahnhof etwas künstlich wirken. Und bei der EU wird es nicht gern gesehen, wenn die Mitgliedstaaten sich mit solchen Mitteln dem Binnenmarkt entziehen. Und das ist sogar erst die zweite Frage, denn zunächst muss der Gesundheitsminister mit seinem Entwurf durchs Kabinett, wo auch gern europarechtliche Bedenken vorgetragen respektive vorgeschoben werden.

Das heißt nicht, dass der Vorstoß chancenlos ist, vermutlich wird man sich aber über kurz oder lang in Luxemburg wiedersehen. Und wie sich DocMorris und Shop-Apotheke bis dahin verhalten und wie wiederum die Kassen darauf reagieren, ist für den Erfolg des Gesetzes mitentscheidend.

Was die Honorarerhöhung betrifft, haben die Apotheker zwar die von DAV-Chef Fritz Becker gewünschte Schippe mehr bekommen, wenngleich man hinter der ersten von Spahn vorgelegten Summe liegt. Vor allem aber hängt auch hier von der konkreten Ausgestaltung ab. Das dürfte ein Zähes Ringen mit den Kassen werden und es besteht die Gefahr, dass hier neue bürokratische Monster entstehen. Für die Zuschüsse für Notdienst und BtM gilt das nicht – aber die machen zusammen auch nur rund ein Viertel des Zuschlags aus.

Mit den Impf-Projekten verschiebt Spahn – sehr bewusst – die Demarkationslinie zwischen Apothekern und Ärzten. Und längst nicht alle Apotheker freuen sich über diese Aufwertung. Denn neben zu befürchtenden Gegenvorstößen der Ärzte stellen sich versicherungsrechtliche Fragen und nicht zuletzt solche der Honorierung. Dass die Öffnung unter epidemiologischen Gesichtspunkten der Impfquoten sinnvoll ist, bleibt vollkommen unbestritten.

Bei den Folgerezepten bleibt der Minister vorsichtig, indem er es den Ärzten überlässt, ob sie eine dreifach-Verordnung ausstellen möchten oder nicht. Das ist geschickt gelöst, denn so kann jede Praxis selbst entscheiden, ob sie das Angebot der Entlastung annehmen möchte oder nicht. Wermutstropfen: Zumindest bis das E-Rezept da ist, profitieren die Versandapotheken sehr von dieser Regelung.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Botendienst und der „Lex Hüffenhardt“. Die ABDA wollte keine Ausweitung des Botendienstes, weil man eine Verwischung der Grenze zum Versandhandel befürchtet. Für die ganzen Plattformkonzepte und letztlich für eine Konkurrenzfähigkeit zum Versand ist die Aufhebung der Ausnahmeklausel aber unerlässlich. Trotzdem: Hier wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit kreative Modelle und in der Folge viel Streit zwischen Apothekern oder mit deren Behörden geben.

Da eine ausschließlich telemedizinische Beratung vor oder bei der Auslieferung durch nicht pharmazeutisch geschultes Personal allerdings zulässig sein soll, wirkt das Automatenverbot in sich nicht schlüssig. Auch hier dürfte noch viel diskutiert werden. Mit dem Referentenentwurf hat Spahn das politische Endspiel um eine Antwort auf das EuGH-Antwort eröffnet.

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