Freie Apothekerschaft

TSE: 626 Fußballfelder voll Kassenbons – zusätzlich

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Berlin -

Reinhard Rokitta gehört ohnehin zu den engagiertesten Gegnern der Bonpflicht. Als nun ein TSE-Modul bei ihm eingebaut wurde, hat das alles nur noch schlimmer gemacht: „Jetzt sind noch 5 Zentimeter Hieroglyphen dazugekommen, die niemand braucht“, kritisiert der Vorstand der Freien Apothekerschaft. Er hat sich deshalb hingesetzt und ausgerechnet, wie viel Papier für den Zettelwahn draufgeht: 626 Fußballfelder.

Eigentlich wollte sich Reinhard Rokitta diese Woche nicht so aufregen: Am Samstag feierte seine Punkt-Apotheke in Bünde ihren 40. Geburtstag. Doch der bürokratische Wahnsinn macht ihm mal wieder zu schaffen: Gegen die Bonpflicht zieht er schon lange zu Felde und druckt die Kassenzettel nur auf Verlangen der Kunden. Doch als bei ihm vor ein paar Tagen ein TSE-Modul eingebaut wurde, stellte er fest: Jetzt sind die Bons nochmal länger und enthalten zentimeterweise Zahlenmaterial für das Finanzamt.

Rokitta macht das nochmal umso wütender. 5 Zentimeter machen die neuen Pflichtangaben pro Kassenbon aus – also hat er durchgerechnet, wieviel das auf die deutschen Apotheken hochgerechnet ausmacht. Er geht dabei von 3,5 Millionen Apothekenkunden pro Tag aus und rechnet das vereinfacht auf 365 Tage im Jahr hoch – also insgesamt knapp 1,28 Milliarden Kundenkontakte im Jahr. Multipliziert mit 5 Zentimetern ergibt das knapp 64.000 Kilometer. „Das ist mehr als anderthalbmal um die Erde!“, so Rokitta. Ist diese Linie sieben Zentimeter breit – die Breite der Kassenbons – hat sie eine demnach eine Fläche von 4,47 Quadratkilometern. Ein Fußballfeld wiederum hat im Schnitt 7140 Quadratmeter beziehungsweise 0,00714 Quadratkilometer.

Daraus ergibt sich eine Fläche von 626 Fußballfeldern allein für die kryptischen Zusatzangaben des Finanzamts, kritisiert Rokitta. Und wozu? „Ich weiß nicht, warum das Finanzamt diese Zahlenreihen da hat. Wenn wir den Kunden den Bon rausgeben, sagen wir immer, er soll sich an den Hieroglyphen nicht stören“, so Rokitta. „Was soll der Kunde auch damit, das ist doch nur relevant, wenn ein Finanzbeamter eine Kontrolle macht!“

Rokitta sieht die Regel, solche Zusatzangaben zu drucken, als absolut unnötig an. „Solche Angaben könnten doch ganz einfach in dem TSE-Modul gespeichert werden, ohne es jedes Mal zu drucken. Wenn dann ein Finanzbeamter seine Kontrolle macht, steckt er seinen USB-Stick rein und kann das auslesen.“ Stattdessen würden massenhaft Ressourcen und teils umweltschädliche Materialien wie Thermopapier verbraucht für eine absolut unnütze Vorgabe. „Was da für ein Müll produziert wird!“, so Rokitta. „Und alle machen mit, sogar die Grünen haben das Gesetz abgenickt.“

All diese Bedenken wolle er auch künftig dem Finanzministerium mitteilen. „Man wird ja behandelt wie ein Verbrecher, also ob man jeden Abend eine Millionen in den Keller schaffen würde“, sagt er. „Dem Finanzministerium schreibe ich einen Brief und werde fragen, ob die sich im Klaren sind, was für Ressourcen da verbrannt werden.“ Es wäre nicht sein erster Brief an das Haus von SPD-Minister Olaf Scholz. Bereits im März hatte Rokitta sich dort aktiv geoutet, gegen die Bonpflicht zu verstoßen.

„Sehr geehrter Herr Finanzminister Scholz, mit Wirkung vom 20. März 2020, 14.58 Uhr, habe ich an meinen Kassen die automatische Bonausgabe entgegen dem Gesetz zur Belegausgabepflicht bis zum Widerruf der Pandemie abgeschaltet“, schrieb Rokitta damals. „Begründung: Meine Mitarbeiter und ich haben keine Zeit mehr, nicht mitgenommene Bonbelege der Kunden nach DSGVO zu vernichten.“ Eine Antowrt habe er bis heute aber nicht erhalten.

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