Zyto-Skandal

„Trittbrettfahrerei“: Apotheker kontert Kassen

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Berlin -

Der Verband der Zytostatika herstellenden Apotheker (VZA) hat den Vorwurf des Kassen-Dienstleister GWQ zurückgewiesen, dass Ausschreibungen in der Chemotherapie den Bottroper Zyto-Skandal verhindert hätten: Das sei „billige Trittbrettfahrerei, obendrein auf dem Abstellgleis“, sagte Verbandschef Dr. Klaus Peterseim.

Diese Behauptung von GWQ-Vorstand Dr. Johannes Thormählen sei nicht nur durch nichts bewiesen. Im vorliegenden Fall treffe sogar das Gegenteil zu. „Tatsächlich ist der Angeklagte aus Bottrop Losgewinner einer Ausschreibung von DAK/GWQ gewesen, und nun ernennt sich der Bock zum Gärtner“, so Peterseim. Wie man angesichts dieser Tatsache behaupten könne, Ausschreibungen auf Apothekenebene hätten mutmaßlich kriminelle Handlungen unterbinden können, sei eine „abenteuerliche Verdrehung der Tatsachen, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, aber auf billige und bisher einmalige Weise politisches Kapital zu ziehen versucht aus dem Leid der Betroffenen.“

Thormählen hatte anlässlich des zehnjährigen Bestehens von GWQ die Abschaffung der Ausschreibungen durch die noch amtierende Bundesregierung kritisiert und mit Blick auf den Bottroper Skandal gesagt: „Das wäre mit unseren Zyto-Ausschreibungen nicht passiert.“ Zudem hätte nachweislich auch die Qualität der Zytoversorgung durch die Ausschreibungen gemeinsam mit der DAK erhöht werden können, behauptete Thormählen.

Nur noch 1 Prozent der Lieferwege habe mehr als 50 Kilometer betragen statt vorher 15 Prozent. Herstellung und Lieferung an die onkologischen Praxen hätten maximal 90 Minuten benötigt. Der angeklagte Bottroper Apotheker habe hingegen bis nach Sachsen geliefert: „Kein Patient in Sachsen wird vermuten, dass er Zytostatika aus Bottrop erhalten hat“, sagte Thormählen. Das frühere System sei völlig intransparent gewesen, kritisierte der GWQ-Chef.

Tatsächlich seien die Ausschreibungen parteiübergreifend vom Gesetzgeber verboten worden, weil sie die qualitätsgesicherte, ortsnahe und flächendeckende Versorgung mit individuell hergestellten Zytostatika gefährdeten, widersprach Peterseim. Dies sei durch das im März vom Deutschen Bundestag in breitem politischen Konsens aller Fraktionen verabschiedete Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz mit dem Ausschreibungsverbot auf Apothekenebene langfristig unterbunden worden.

Die früheren Ausschreibungen hätten stattdessen zu einem Wirrwarr in onkologischen Praxen und Apotheken geführt, das System habe kurz vor einem Versorgungschaos gestanden. Es gehöre sich nicht, aus dem mutmaßlich kriminellen Verhalten eines Einzelnen Krebskranke zu verunsichern. Mit der freien Apothekenwahl sei ein wichtiges Recht wiederhergestellt worden, das die Kassen den Patienten genommen hatten. „Der Bottroper Fall zeigt, bei allem Entsetzen über die kriminelle Energie eines Einzelnen, dass es für die Patienten unverzichtbar ist, über die Herkunft und die Qualität ihrer Arzneimittel Bescheid zu wissen und die Fachleute zu kennen, die dafür gerade stehen“, so Peterseim.

Eine fremdbestimmte, übergeordnete Versorgungsstruktur könne dies gerade nicht leisten. „In den vielen Berichten der letzten Wochen ist deutlich geworden, dass die Menschen sich gerne und vertrauensvoll an die örtlichen, persönlich engagierten Apotheken wenden und in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten ortsnah, zeitnah und zuverlässig versorgt werden wollen.“

Unterdessen wiederholte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach seine Forderung, die Zyto-Versorgung komplett den Kliniken zu überantworten: Der Fall des Bottroper Apothekers zeige ein wichtiges Systemversagen. In keinem Bereich der Medizin werde mit so hohen Gewinnmargen gearbeitet wie in der Krebsmedizin. Einzelne Apotheken machen mit Chemotherapeutika „dreistellige Millionenumsätze“. Betrüger könnten leicht Millionengewinne machen. Daraus ergebe sich politischer Handlungsbedarf.

Lauterbach: „Aus meiner Sicht sollte die Krebstherapie in die Krankenhäuser verlagert und das System der Schwerpunkt-Apotheken und niedergelassenen Krebsärzte an die Krankenhäuser angebunden werden. Das System ist gegen Betrug schwer zu sichern und darüber hinaus anfällig für große Qualitätsdefizite. Chemotherapeutika sollten ausschließlich in Krankenhäusern beziehungsweise in Krankenhausapotheken zubereitet werden. Dort herrscht das Mehraugenprinzip.“

Die Chemotherapie werde in ihrer Durchführung in allen Schritten von der Wahl der Medikamente bis zur Zubereitung zunehmend komplizierter, und die Medikamente selbst werden immer teurer. „Dies im niedergelassenen Bereich zu belassen, wäre falsch. Vielmehr handelt es sich hier um klassische Krankenhausarbeit, bevorzugt in spezialisierten Zentren wie etwa Universitätskliniken oder anderen Kliniken, die auf die Krebsbehandlung entsprechend vorbereitet sind und hochspezialisierte Teams vorhalten“, so Lauterbach.

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