Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte kurz vor dem Apotheken-Protesttag am 14. Juni 2023 ein „Faktenblatt“ verbreitet – mit vermeintlichen Klarstellungen zur Lage der Apotheken. Die Treuhand Hannover hat als Steuer- und Wirtschaftsberatung andere Erkenntnisse.
Das BMG hatte die – vor allem während der Corona-Pandemie – gestiegenen Apothekenumsätze als vermeintlichen Beleg dafür angeführt, dass es den Apotheken gar nicht so schlecht gehe. Die Treuhand verweist auf die offensichtliche Bedeutung von Wareneinsatz und Betriebskosten. So steige etwa der Anteil hochpreisiger Arzneimittel am Umsatz stetig und habe 2022 rund 45 Prozent der GKV-Umsätze ausgemacht. Die Betriebskosten seien im vergangenen Jahr vor allem durch gestiegene Personalkosten um 8 Prozent gewachsen. „Steigen die Betriebskosten stärker als der Umsatz, fällt der Ertrag. Nach Abzug des Wareneinsatzes und der Kosten bleiben derzeit von jedem eingenommenen Euro etwa fünf Cent Gewinn vor Steuern“, fasst die Treuhand zusammen.
Die Umsatzrendite ist laut Treuhand – pandemiebedingte Sondererträge 2020/21 ausgeklammert – seit Jahren rückläufig. 2022 betrug das durchschnittliche Betriebsergebnis demnach nur noch knapp 5,1 Prozent. 40 Prozent der Apotheken hätten nur noch eine Umsatzrendite unter 4 Prozent erzielt. Analyse der Treuhand: „Für den Erwerb sowie Betrieb einer Apotheke muss der Eigentümer also im Verhältnis immer mehr investieren, organisieren, umsetzen und damit ins Risiko gehen als bisher. Das macht die Übernahme von Apotheken mehr und mehr unattraktiv und führt zu Schließungen.“
Nach Zahlen der Treuhand erzielt mehr als ein Drittel der Inhaber:innen mit ihrer Apotheke nicht einmal mehr die Hälfte des durchschnittlichen Ertrages. Ihr Einkommen liege „im besten Fall“ auf dem Niveau eines angestellten Apothekers. In immer mehr Fällen bleibe jedoch nichts übrig. „Die Zahl der Betriebe in der Verlustzone ist mit über 13 Prozent Anteil eklatant hoch“, so die Treuhand Hannover. Etwa 1150 Apotheken hätten zwischen 2020 und Mai 2023 schließen müssen, die Dynamik nehme zu.
Seit der Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung 2004 wurde das packungsbezogene Fixhonorar in fast 20 Jahren nur einmal angehoben: von 8,10 Euro auf 8,35 Euro. Zwar stieg die Apothekenvergütung insgesamt je verordneter GKV-Packung um 21,4 Prozent gegenüber 2004, jedoch seien Inflationsrate mit 36,3 Prozent, die Tariflöhne mit 47,9 Prozent, das Bruttoinlandsprodukt mit 63,2 Prozent und die GKV-Einnahmen mit 98,7 Prozent ungleich stärker gestiegen. Das bedeutet laut Treuhand „eine Abkoppelung der Apotheken von der wirtschaftlichen Entwicklung“.
Nach Berechnungen der Treuhand ist der Stückertrag in der Versorgung von GKV-Versicherten seit 2020 negativ und sank seither von -0,07 Euro auf -0,27 Euro im Jahr 2022. „Die Apotheke zahlt also statistisch bei jeder Packung auf GKV-Rezept drauf“, so die Analyse. Das ergebe sich aus einem Abgleich der für diese Versorgung anfallenden Betriebskosten und der hierfür erzielten Vergütung nach der Arzneimittelpreisverordnung. Diese Verluste müsse die Apotheke durch Einkaufsvorteile und Erträge aus Zusatzverkäufen in anderen Segmenten ausgleichen.
Als Argument für ein vermeintlich gutes Geschäft der Apotheken wird regelmäßig auch der 3-Prozent-Zuschlag des Honorars angeführt. Die daraus resultierenden höheren Einnahmen reichen laut Treuhand aber bei weitem nicht aus, um die negativen Stückerträge zu drehen. „Denn gleichzeitig steigen Finanzierungskosten, Retaxationsrisiken sowie umsatzvariable Kosten deutlich an“, so die Beratungsgesellschaft. An einer Erhöhung des Fixhonorars führt laut Treuhand kein Weg vorbei.
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