Anwendungsbeobachtungen

Transparency: Studien korrumpieren Ärzte

, Uhr aktualisiert am 19.05.2015 11:54 Uhr
Berlin -

Vier Jahre lang hat Transparency International zu Studien von Pharmafirmen und Ärzten recherchiert, jetzt könnten Erkenntnisse der Antikorruptionsorganisation die Debatte um das Anti-Korruptionsgesetz befeuern. Anwendungsbeobachtungen (AWB) sind demnach lediglich Scheinforschung und ein mögliches Instrument für unzulässige Einflussnahme und Korruption im Gesundheitswesen.

AWB werden nach Zulassung von Medikamenten durchgeführt und gelten schon länger als potenzielles Einfallstor für Schmiergeldzahlungen. Daher sind die Hersteller beziehungsweise die von ihnen beauftragten Forschungsinstitute verpflichtet, alle AWB nicht nur gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), sondern auch dem GKV-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) anzuzeigen.

Dabei müssen laut Arzneimittelgesetz (AMG) unter anderem Ort, Zeit, Ziel und Beobachtungsplan sowie die teilnehmenden Ärzte und die Art und Höhe der an sie gezahlten Honorare gemeldet werden. Der KBV müssen sogar die die mit den Ärzten geschlossenen Verträge übermittelt werden.

2011 forderte Transparency Akteneinsicht, allerdings wurden die Honorare an die Ärzte als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse angesehen und daher ausgespart. Nach mehreren Verfahren konnten jetzt die gewünschten Informationen ausgewertet werden. Fazit: Zwischen 2008 und 2010 nahmen insgesamt 126.764 Ärzte und mehr als eine Million Patienten an gemeldeten AWB teil, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Veranschlagt wurden pro AWB durchschnittlich rund eine halbe Million allein an Honorarkosten. Für den einzelnen Arzt belief sich daher das Honorar auf rund 19.000 Euro im Durchschnitt.

Das Problem: Die Meldungen waren nicht nur oft unvollständig, sondern die Daten der drei Stellen wichen erheblich voneinander ab: So wurden dem GKV-Spitzenverband 598 AWB gemeldet, der KBV 558, dem BfArM sogar nur 499. „Es erfolgte offensichtlich seitens der Institutionen kein Abgleich untereinander, auch gegenüber den Meldenden wurden kaum Beanstandungen erhoben“, moniert Projektkoordinatorin Dr. Angela Spelsberg. „Ebenso wenig interessierte man sich für den Verlauf oder die Ergebnisse der AWB, vor allem hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit.“

„Der wissenschaftliche Nutzen von AWB für die Allgemeinheit ist also gleich Null, der potentielle Schaden dieser schlechten Studien jedoch immens“, urteilt Professor Dr. Ulrich Keil, Epidemiologe und Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen bei Transparency. „Denn eine verlässliche öffentliche Registrierung sowie wissenschaftlich adäquate Veröffentlichungen der Ergebnisse sind nicht gegeben, geschweige denn Transparenz über Nebenwirkungsmeldungen aus diesen Studien.“

„Die Einhaltung der AMG-Vorschriften zu Anwendungsbeobachtungen wurde offensichtlich nie kontrolliert“, so Spelsberg. Damit müssten AWB als ein Instrument von unzulässiger Einflussnahme auf Ärzte und Korruption im Gesundheitswesen angesehen werden – zumal die erhobenen Daten nach den Transparency vorliegenden Dokumenten einer vertraglich vereinbarten Geheimhaltung unterliegen und Eigentum der Sponsoren sind.

Besonders hartleibig war laut Transparency übrigens das BfArM gewesen: Erst neun Monate nach einem entsprechenden Urteil und der Androhung einer Zwangsvollstreckung habe man im April 142 Tabellenseiten mit Vorgängen aus den Jahren 2008 bis 2010 herausgegeben. „Gerade von der zuständigen Bundesoberbehörde hatten wir erwartet, dass für unser Auskunftsbegehren großes Verständnis und ein hohes Interesse an den Anwendungsbeobachtungen besteht“, so Dieter Hüsgen, Leiter der Arbeitsgruppe Informationsfreiheit bei Transparency.

Wie sich herausstellte, wurden anstatt einer systematischen Registrierung und Überwachung der zum Teil durch die Behörde selbst angeordneten Studien im BfArM bis Ende 2014 die Meldungen und weiteren Dokumente zu AWB lediglich mit einer Posteingangsnummer abgeheftet. Somit gestaltete sich die Erfüllung des Informationsbegehrens zu AWB für das BfArM letztlich als unlösbares Problem.

Das BfArM erklärte im Nachgang, dass man Informationen zu Arzneimittelrisiken, die in AWB gewonnen würden, sehr wohl bewerte – allerdings in Form von regelmäßig aktualisierten Berichten über die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln (Periodic Safety Update Report, PSUR) und nicht in Form jeder einzelnen AWB.

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