Entscheidung des BSG

Tödliche Erkrankung: Arzneimittelsicherheit hat Vorrang

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Berlin -

Versicherte haben bei einer regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit keinen Anspruch auf die Versorgung mit einem Arzneimittel, das die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zur Behandlung dieser Erkrankung nicht zugelassen hat. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am Donnerstag entschieden.

Der 2004 geborene Kläger leidet an Duchenne-Muskeldystrophie. Die erblich bedingte Muskelerkrankung mit zunehmendem Muskelschwund führt typischerweise im jungen Erwachsenenalter zum Tod. Der Kläger ist seit 2015 gehunfähig. Er verlangte von seiner Krankenkasse die Kostenübernahme des Arzneimittels Translarna. Das ist in der Europäischen Union für die Behandlung der Duchenne-Muskeldystrophie zugelassen, jedoch nur für gehfähige Patienten. Anträge des Herstellers im Juni und Oktober 2019 führten nicht zur Erweiterung der Arzneimittelzulassung auf nicht mehr gehfähige Patient:innen.

Das Sozialgericht Mainz hatte die Klage auf Versorgung mit Translarna abgewiesen. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz verurteilte die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland hingegen, den Kläger mit dem Medikament zu versorgen. Es bestehe eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Verlauf der Erkrankung. Dies reiche bei regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheiten aus, den Anspruch zu begründen, so die Richter. Die Ablehnung der Erweiterung der Zulassung auf nicht mehr gehfähige Patient:innen durch die EMA entfalte keine Sperrwirkung, da sie nicht auf einer aussagekräftigen Datenlage beruhe und seither neue Hinweise auf eine positive Wirkung des Arzneimittels erlangt worden seien.

Der 1. Senat des BSG hob dieses Urteil nun auf und gab der Arzneimittelsicherheit auch bei regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen Vorrang. Der Antrag des Klägers scheitere an der Sperrwirkung des Arzneimittelzulassungsgesetzes, begründete der Vorsitzende Richter die Entscheidung. Habe ein Antrag auf Erweiterung der Zulassung keinen Erfolg, sei damit auch eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Verlauf der Krankheit zu verneinen. Denn nähme man von der Sperrwirkung der fehlenden Arzneimittelzulassung zugunsten einer rein einzelfallbezogenen Prüfung Abstand, würde die Erfordernis einer Zulassung für Arzneimittel zur Behandlung bestimmter besonderer und schwerer Erkrankungen faktisch ausgehebelt, so der Richter.

Die Sperrwirkung könne überwunden werden, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden, die nach der EMA-Entscheidung veröffentlicht werden. Das sei im vorliegenden Verfahren nicht der Fall.

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