Einsparungen von 13 Milliarden Euro möglich

TK und Glaeske kalkulieren Arzneimittelpreise

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Berlin -

Wie viel darf ein neues Arzneimittel kosten? Um bei patentgeschützten Präparaten überzogene Preise zu verhindern, wurde vor Jahren das Verfahren der Nutzenbewertung eingeführt. Doch das reicht der Techniker Krankenkasse (TK) nicht. Sie hat Professor Dr. Gerd Glaeske kalkulieren lassen.

Seit Jahren treiben laut TK die Preise einiger weniger, aber dafür besonders teurer Medikamente mit Patentschutz die Kosten nach oben: So entfallen 46,3 Prozent der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Präparate, die nach Menge (definierte Tagesdosen, DDD) nur 6,4 Prozent ausmachen. In Summe macht das 21,6 Milliarden Euro. „Patentgeschützte Arzneimittel sind einer der größten Kostentreiber für die gesetzliche Krankenversicherung“, sagt TK-Vorstandsvize Thomas Ballast. „Gerade vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Ausgabenentwicklung in der GKV müssen wir die Preisbildung in diesem Bereich besonders unter die Lupe nehmen.“

Im Vorfeld der Bundestagswahl haben GKV-Spitzenverband und auch einzelne Kassen Vorschläge zur Verbesserung der Preisfindung gemacht. Die TK geht noch weiter und rechnet vor, wie viel bei einzelnen Präparaten tatsächlich eingespart werden könnte. In ihrem Paper legen TK und Uni Bremen ein Preismodell der Organisation „International Association of Mutual Benefit Societies (AIM)“ zugrunde. Anhand objektiver Kriterien wie Art der Krankheit, zu erwartendem Nutzen und Zahl der infrage kommenden Patienten, aber auch Forschungs- und Produktionskosten sowie Patentschutz und Zahl der Wettbewerber können mit dem Tool „faire und transparente Arzneimittelpreise“ berechnet werden.

So kommt Glaeske für TK auf Abschläge von rund 50 Prozent bei Präparaten wie Zolgensma und Entresto. Bei Cosentyx und Opdivo wären demnach nur rund 20 bis 30 Prozent des derzeitigen Preises angemessen, bei Spinraza sogar nur etwa 10 Prozent. Bei Lonsurf ruft der Hersteller demnach je nach Berechnung einen 13- bis 29-fach höheren Preis auf. Nur bei Jardiance liegt der „faire Wert“ demnach zwei Drittel über dem aktuellen Preis.

„Unsere Berechnungen mit dem AIM-Modell zeigen, dass die tatsächlichen Arzneimittelpreise derzeit bis zu 13-mal so hoch sind wie sie fairerweise sein sollten“, so Glaeskes Fazot. „Auf den Umsatz gerechnet ergibt das überschüssige Kosten in Höhe von etwa 173 Prozent für patentgeschützte Arzneimittel – etwa 13 Milliarden Euro pro Jahr, die die gesetzliche Krankenversicherung, basierend auf dem AIM Fair Pricing Calculator, einsparen könnte.“

TK und Uni Bremen bewerten das Modell als „Bereicherung in der Diskussion um faire Arzneimittelpreise“. Neben dem AIM-Modell brauche es aber weitere Reformen und mehr anwendungsbegleitende Datenerhebung, um den Patientennutzen einer Therapie besser bewerten zu können, so Glaeske.

Schließlich beschreiben die Autoren noch drei „alarmierende“ Fälle im Kontext der freien Preisbildung, die „unseriöse Geschäftspraktiken der jeweiligen Akteure“ belegten: So habe ein Hedgefonds nach der Übernahme des Medikaments Daraprim die Preise von 13,50 auf 750 US-Dollar je Tablette erhöht – der Verantwortliche musste sich vor Gericht verantworten. Aspen habe nach der Übernahme der Lizenzen für generische Wirkstoffe zur Krebstherapie deren Preise um 300 Prozent erhöht – und ein Kartellverfahren der EU verloren. Und Gilead habe Sovaldi mit einem Preis von 700 Euro je Tablette auf den Markt gebracht – und damit eine Diskussion um die solidarische Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens in Gang gesetzt.

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