Tiefer Riss bei Stammzelldebatte dpa, 15.02.2008 11:06 Uhr
Im Ringen um die künftige Forschung an embryonalen Stammzellen geht ein tiefer Riss durch alle Parteien. Dies wurde am Donnerstag bei einer Grundsatzdebatte des Bundestags über mögliche Änderungen deutlich. Befürworter und Gegner einer Lockerung der strengen Gesetze für die deutsche Forschung warben zum Teil leidenschaftlich für ihre Positionen. Dabei zeichnete sich eine Mehrheit für eine Regelung ab, wonach auch in Deutschland die Forschung mit frischeren Stammzellen erlaubt wird.
Dafür soll der Stichtag für die Gewinnung solcher Zellen vom 1. Januar 2002 auf den 1. Mai 2007 verlegt werden. Allerdings hat sich etwa ein Viertel der Abgeordneten noch nicht festgelegt. Die Entscheidung im Bundestag soll Mitte März fallen. In weiteren Anträgen werden die völlige Streichung von Stichtagen, die Beibehaltung der bisherigen Beschränkungen sowie ein generelles Verbot der Forschung mit embryonalen Stammzellen gefordert.
Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) stellte sich hinter den Vorstoß von 184 Abgeordneten aller Fraktionen mit dem Ziel, den Stichtag für den Import auf 2007 zu verlängern. Dieser Weg ermögliche deutschen Forschern einen „eng definierten Korridor“ für die Arbeit mit besseren und neuen Stammzell-Linien. Die Regelung sei auch ethisch verantwortbar und kein „Dammbruch“ für eine grenzenlose Forschung. Ähnlich äußerten sich Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU).
Demgegenüber warb die Grünen-Politikerin Priska Hinz im Namen einer Gruppe dafür, das Gesetz unverändert zu lassen. Es gebe keinen Beweis, dass die Forschung mit neueren humanen Stammzellen tatsächlich Krankheiten heilen könne. Für Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) ist ein Embryo der „Startschuss des menschlichen Lebens“. Deshalb verbiete sich die Forschung damit. Eine Aufweichung der bisherigen Einschränkungen lehnte auch die frühere SPD- Justizministerin Herta Däubler-Gmelin ab.
Für die Parlamentarier, die für eine völlige Freigabe des Stichtags plädieren, sagte die FDP-Expertin Ulrike Flach, deutsche Forscher dürften wegen hoher gesetzlicher Hürden nicht länger ins Ausland getrieben oder kriminalisiert werden. Auch Peter Hintze (CDU) warb für die Aufhebung: „Für mich hat ein kranker Mensch Vorrang vor einer befruchteten Eizelle in einem Tiefkühlbehälter.“
Die katholischen Bischöfe lehnen solche Forschungen strikt ab. Menschliches Leben sei kein „Verbrauchsgut“, hieß es in einer Erklärung der Bischofskonferenz. Die Tötung von Embryonen dürfe nicht Voraussetzung für eine mögliche Therapie von anderen Menschen sein.
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Professor Dr. Matthias Kleiner, begrüßte die „sachliche, ernsthafte und von hoher Verantwortung geprägte Debatte“. Er freue sich, „wie deutlich die Stimme der Wissenschaft von der Politik wahrgenommen“ worden sei.