Selektionsdruck für Apotheker Julia Pradel, 10.06.2013 09:25 Uhr
Wer seinem Berufsstand ein neues Leitbild verpassen will, der muss seine Kollegen mitnehmen. Beim Thüringer Apothekertag machte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt klar, dass an einer Weiterentwicklung der apothekerlichen Aufgaben kein Weg vorbei führt: „Es verliert derjenige, der sich nicht anpasst – der wird abgehängt.“ Laut Schmidt wird die Mehrheit der Apotheker entscheiden, wohin die Reise gehen wird.
Laut Schmidt sollen die Apotheker ihren Blick nicht nur auf das Arzneimittel, sondern auf alle Belange des Patienten richten. Die Zeit für Veränderungen sei günstig: „Im Moment gibt es keine ernstzunehmende politische Kraft, die eine Liberalisierung fordert.“ Den zerstörerischen Ansatz von Ulla Schmidt trage heute kein verantwortlicher Politiker mehr. „In dieser Zeit relativer Struktursicherheit haben wir die Chance, uns weiterzuentwickeln“, so Schmidt.
Der Apothekerberuf habe sich in den letzten Jahrhunderten unglaublich verändert – habe als Handwerk begonnen und sei nach und nach immer wissenschaftlicher geworden. „Man muss nun die Frage stellen: Wie verändert sich die Gesellschaft? Und was können wir zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen? Sind wir heute darauf eingestellt? Was müssen wir ändern, um die Erwartungen zu erfüllen?“, so Schmidt.
So werde beispielsweise in Sachsen und Thüringen an dem ABDA/KBV-Modell gearbeitet. Es gehe gut voran, aber es gebe unglaubliche technische Schwierigkeiten, so Schmidt. „Wir ändern Dinge, die lange Traditionen haben.“ Die Voraussetzungen für das Modell sollen jedoch noch in diesem Jahr geschaffen werden.
Jüngeren Apothekern wird die Umstellung auf Wirkstoffverordnungen aus Schmidts Sicht kaum Probleme bereiten. Kollegen seiner Generation müssten sich hingegen mehr Mühe geben. Das Fach Pharmakologie wurde in der DDR 1951 eingeführt, in Westdeutschland sogar erst 1971. „Da ist es gut, dass wir in Sachsen und Thüringen damit anfangen“, so Schmidt.
Der ABDA-Präsident setzt darauf, dass sich die meisten Apotheker der Weiterentwicklung des Berufs nicht verschließen werden. „Das Maß aller Dinge kann aber nicht der kleinste Nenner sein. Die Mehrheit kann erwarten, dass die weniger entwicklungsbereite Minderheit sich anschließt“, so Schmidt. Denn verändern und anpassen müsse man sich – das sei wie im Tierreich.
Schmidt betont, den Apothekern biete sich derzeit eine „riesige Chance“: „Wir sehen, dass die Gesellschaft uns ein neues Betätigungsfeld anbietet. Es wäre fahrlässig, das nicht zu besetzen.“ Der ABDA-Präsident setzt dabei auch auf ein neues Vergütungssystem. „Ich hoffe, dass die Kostenträger und die Politik verstehen, dass das packungsbezogene Honorar sehr einseitige Anreize setzt.“ Um die flächendeckend Versorgung zu erhalten, müsse man aber auch die Strukturen stärken.
Das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz (ANSG) biete einen Einstieg, den Sicherstellungsauftrag zu stärken, und sei ein „Schritt in die richtige Richtung“. Mit dem Gesetz werden besonders Apotheken auf dem Land unterstützt, die oft Nachtdienste leisten müssen.
Die Flächendeckung sieht Schmidt als das entscheidende Kriterium für die Zukunft der Apotheken. „In Norwegen gab es keine Flächendeckung. Dies hat den Politikern die Vorlage zur Liberalisierung gegeben“, so Schmidt.