Kommentar

Teures Teststreifen-Opfer

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Berlin -

Von der Hand zu weisen ist der Vorschlag nicht. Für ein höheres Honorar sollen die Apotheker nach dem Willen der Union Harn- und Blutzuckerteststreifen opfern: Die Kassen dürfen ausschreiben und Millionen sparen. Was soll's: Teststreifen sind seit einem Jahr für Typ-II-Diabetiker ohnehin offiziell tabu, dazu kommt das nervenaufreibende Geschacher mit den jeweiligen Kassen. Und weil schon heute Diabetiker-Bedarf quer durch die Republik geschickt wird, haben die Apotheken ohnehin nicht mehr viel zu verlieren.

 

900 Millionen Euro haben die Krankenkassen 2011 für Teststreifen ausgegeben. Viel sagt diese Zahl nicht, denn mitten im Jahr kam der Ausschluss. Einen Einbruch gab es zwar nicht, weil trotzdem viele Ärzte Wege finden, ihre Diabetiker zu versorgen. Die Drogeriemärkte hatten die Zeichen der Zeit aber sofort erkannt und schon im Vorfeld die nicht apothekenpflichtigen Produkte für Selbstkäufer in ihre Regale gestellt.

Die Apotheken stellt der Vorschlag der Union vor wichtige Fragen: Sollte man ein Marktsegment aufgeben, das in der Breite keinen Gewinn mehr abwirft? Sollte man zulassen, dass Kunden in andere Vertriebskanäle gedrängt werden? Sollte man dabei helfen, dass Kassen weitere Leistungen, die originär zur Apotheke gehören, ausschreiben?

Aus der Versorgung mit Inkontinenzprodukten haben sich viele Apotheken zurückgezogen. Außer Spesen nichts gewesen, sollen die Kassen ihren Mitgliedern selbst erklären, warum sie plötzlich Päckchen mit zweitklassigen Watteartikeln vom anonymen Versender geschickt bekommen. Das ist bedauerlich, aber am Ende ist der Apotheker eben der Kaufmann hinter dem Heilberuf.

Bei Teststreifen sieht die Situation anders aus. Wer als Diabetiker seinen Blutzucker regelmäßig messen muss, der muss auch pharmazeutisch betreut werden, und zwar vor Ort. Während BAK-Präsidentin Erika Fink die Apothekenbetriebsordnung als Sieg der Pharmazeutischen Kompetenz feiert und sich prompt aus dem Amt zurückzieht, freuen sich die Kassen auf eine neue Ausschreibungsrunde. Selbst schuld, wer sich in dieser Zeit noch präqualifizieren lässt.

Ob die Apotheken den Vorschlag der Union mit tragen wollen, ist nicht nur eine berufsethische, sondern auch eine berufspolitische Entscheidung. Wer als Patient seine Teststreifen im Internet bestellen muss, wird sich kaum dagegen wehren können, dass er das Insulin von dort gleich mitbekommt. Und wer als Kasse den Kollektivvertrag an einer Stelle aufgeschnürt hat, der wird weiter dröseln. Am Ende könnten die Apotheken einen Cent-Betrag gewinnen. Und ein ganzes Geschäft verlieren. Dann müssten sie den Kunden auch noch erklären, warum sie nicht mehr die richtigen Ansprechpartner sind.

 

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