Telepharmazie ist Pharmazie auf Entfernung. Durch Videocalls sollen Beratungsleistungen – wie die Überprüfung der Medikation, die Beratung von Patienten oder die Überprüfung von Rezepten – durch einen Apotheker stattfinden, der nicht vor Ort ist. Gab es vor wenigen Jahren nur vereinzelte Publikationen zu dem Thema, ist die Zahl der Studien seit der Pandemie sprunghaft angestiegen. Telepharmazie kann demnach die Versorgung verbessern. Aber keine Apotheke ersetzen.
Studienlage
Aus den Veröffentlichungen geht klar hervor, dass Telepharmazie zum ganz überwiegenden Teil genutzt wird, um komplexe Beratungs- und Betreuungsfälle von Patienten abzubilden. Indikationen, in denen regelmäßige Videogespräche angeboten wurden, sind zum Beispiel Diabetes, Bluthochdruck oder Asthma.
Betreuung von Chronikern
- Eine Studie australischer Forscher untersuchte Telepharmazie für die ambulante Betreuung erwachsener Krebspatienten und setzte Telefon- sowie Videokonsultationen ein. Erste Daten deuten auf positiven Nutzen und verbesserte Versorgung hin.
- In Indonesien wurde eine Übersichtsarbeit zur Versorgung von Diabetes-Patienten veröffentlicht. Die Studie zeigt, dass Telepharmazie klinische Ergebnisse verbessert, die Therapietreue erhöht und die Zahl der Patientenbesuche und Krankenhausaufenthalte verringert. Allerdings wurden auch Bedenken hinsichtlich Sicherheits und Datenschutz aufgezeigt.
- In Ghana wurde der Einsatz von Telepharmazie zur Behandlung von Bluthochdruck untersucht. Durch die Telefonanrufe konnten die Compliance verbessert und damit die Blutdruckkontrolle verbessert werden, außerdem wurden therapeutische Lebensstiländerungen gefördert und Probleme in der pharmazeutischen Versorgung identifiziert.
- In Thailand wurde die Nutzung von Telepharmazie für Epilepsiepatienten analysiert. Demnach konnten die Patientenversorgung verbessert und Kosten eingespart werden.
- In den USA wurde Telepharmazie für die Versorgung von Veteranen mit kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen genutzt. Laut Studie ist das telemedizinische Modell eine „praktikable Methode“ zur umfassenden Überprüfung der Medikation und Verschreibung.
- In Kanada wurde Telepharmazie in der onkologischen Versorgung analysiert, besonders in abgelegenen Gebieten.
- Eine deutsche Übersichtsstudie hat die videobasierte Telekonsultation in der pharmazeutischen Versorgung von Erwachsenen und Jugendlichen mit Asthma, chronischem Nierenversagen, HIV, Hyperlipidämie, Bluthochdruck oder Diabetes untersucht.
- Im US-Staat North Dakota wurde das Potenzial für Telepharmazie in Kliniken untersucht. Dabei geht es um die Unterstützung kleiner Kliniken, die nicht über einen Vollzeitapotheker verfügen, der vor Ort die Beratung und die Überprüfung der Medikamentenbestellungen übernehmen kann.
- Ebenfalls in den USA wurde der Einsatz von Telepharmazie in der Notfallmedizin untersucht.
- Auch bei der Versorgung von Patienten in US-Metropolen konnte die Therapietreue durch Telepharmazie erhöht werden, allerdings nur in einigen Indikationen.
Alternative zur Apotheke
Es gibt auch Studien, in denen untersucht wurde, ob sich Telepharmazie eignet, um die flächendeckende Versorgung zu sichern. Im Zusammenhang mit den oftmals entlegenen Gegenden ist von „Pharmacy deserts“, also „Apothekenwüsten“ die Rede.
- In Südafrika wurde in einer Übersichtsstudie der Einsatz von Telepharmaziemaßnahmen während der Pandemie untersucht. Dabei kamen auch WhatsApp- und SMS-basierte Systeme zum Einsatz. Mit digitalen Lösungen wurde unter anderem das Screening von Infektionskrankheiten und nicht-infektiösen Krankheiten und die Einhaltung von Medikamenten und Behandlungen überwacht. Allerdings stellen der fehlende Zugang zu Technologie, die oft begrenzte Infrastruktur und rechtliche Probleme Hindernisse dar.
- In Pakistan werden Telemedizin und Telepharmazie laut einer Übersichtsarbeit bereits seit Jahren getestet, insbesondere Smartphone-Dienste wie SMS, Apps und webbasierte Tools. Gerade in abgelegenen Gebieten habe Telemedizin großes Potenzial, da die Reisekosten und der Zeitaufwand reduziert werden. Daher sollten Telepharmazie-Maßnahmen in abgelegenen Gebieten gefördert werden.
- Eine Übersichtsarbeit aus den USA untersuchte, wie Telepharmazie derzeit in kommunalen und ambulanten Apotheken praktiziert wird, wie effektiv sie ist und wie sie in den Vereinigten Staaten geregelt wird. Telepharmazeutische Versorgung würde wahrscheinlich weiter zunehmen, da sie eine bessere Verteilung der Ressourcen und den Zugang zu mehr Patienten ermögliche.
Viel Potenzial
Die International Pharmaceutical Federation (IPF) veröffentlichte 2022 eine Übersichtsarbeit zu Telepharmazie und pharmazeutischer Versorgung. Telepharmazie wird sich laut der Studie in den kommenden Jahren zu einem wichtigen Aspekt der Telemedizin entwickeln, da sie besseren Zugang zur Versorgung, geringere Kosten, höhere Patientenzufriedenheit sowie Komfort und bessere Gesundheitsergebnisse biete. Ihre zunehmende Bedeutung wird vor allem auf die Covid-19-Pandemie zurückgeführt.
Laut einer Übersichtsstudie aus Italien könnte der Einsatz einer neuen Technologie wie der Telepharmazie auch eine mögliche Option zum Fachkräftemangel sein.
Gleicher Begriff – andere Bedeutung
Auch der Gesundheitsminister wirft gerne mit dem Wort Telepharmazie um sich, dabei meint er aber etwas völlig anderes. Er stellt sich unter dem Begriff Telepharmazie vor, dass ein Apotheker, der nicht vor Ort anwesend ist, nicht-approbierte Mitarbeiter in einer Filiale per Video bei Aufgaben überwacht, die eigentlich von einem Apotheker ausgeführt werden müssten. Im Grunde zweckentfremdet er damit den Begriff: Schließlich klingt Telepharmazie viel besser als „Apotheke ohne Anwesenheit der namensgebenden Fachkraft“.
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