Die Telemedizin hat in der Corona-Pandemie einen Schub erfahren und nimmt an Bedeutung zu. Doch die Grenzen müssen noch ausgelotet werden, wie der Jahresbericht der Wettbewerbszentrale zeigt. Juristisch geklärt wurden im vergangenen Jahr auch die Rolle von Ärzt:innen als Angestellte und GmbH und falsche Facharztbezeichnungen.
In der Hochphase der Corona-Pandemie haben Video-Sprechstunden stark zugenommen. Laut Deutschem Ärzteblatt gab es im ersten Halbjahr 2021 mehr als 2,25 Millionen solcher digitalen Kontakte. Zum Vergleich: Vor der Pandemie seien im ganzen Jahr 2019 seien keine 4000 Video-Sprechstunden abgerechnet worden.
Einen Grundsatzstreit zu diesem Thema hat die Wettbewerbszentrale bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) gebracht. Es ging um die Frage, ob die Werbung für rein digitale Primärversorgungsmodelle – also ohne jeglichen persönlichen Arzt-Patienten-Kontaktzulässig ist. Die Karlsruher Richter entschieden, dass das pauschal nicht möglich ist, sondern es im Einzelfall auf die Standards der Fachgesellschaften ankommt.
Ebenfalls mit einer BGH-Entscheidung rechnet die Wettbewerbszentrale im Fall digitaler Krankschreibungen. „Nach deutscher Rechtslage darf die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nur nach vorheriger persönlicher Untersuchung erfolgen“, so die Wettbewerbszentrale. Das Landgericht Hamburg und das OLG Hamburg sehen das auch so.
Ebenfalls untersagt wurde diese besondere Form der Ferndiagnostik: Der potentielle Patient sollte zwei Fotos einsenden, ein älteres und ein aktuelles Foto, sowie eine Haarprobe. Dann erfolge eine Diagnostik und Aufarbeitung seiner Unterlagen und anschließend ein Arztgespräch mit Therapieplan. Das Landgericht Koblenz untersagte dies mit Verweis auf das Heilmittelwerbegesetz.
In zwei Fällen hat sich die Wettbewerbszentrale mit angestellten Ärzt:innen gefasst, jeweils in einer als GmbH betriebene Arztpraxis, deren Geschäftsführerin keine Ärztin war. Das Landgericht Leipzig untersagte der GmbH den Betrieb der Praxis und der Ärztin die ärztliche Tätigkeit als Angestellte der GmbH, soweit diese nicht die Anforderungen des Sächsischen Heilberufekammergesetzes erfüllt. Die Gesellschafterin und Geschäftsführerin gehörte keiner der dort genannten Personengruppen an.
In zweiten Verfahren sollte geklärt werden, ob der Praxisbetrieb im Wesentlichen durch eine GmbH mit angestellten Ärzten – was unzulässig wäre – geführt wird oder ob die GmbH lediglich administrative Leistungen erbringt. Hier wurden ambulante ärztliche Leistungen im Bereich der ästhetischen Medizin erbracht. Gesellschafter der GmbH war unter anderem die Beteiligungs-GmbH eines Pharmaunternehmens. Laut Kooperationsvertrag übernimmt die GmbH für den Arzt vielfältige organisatorische Leistungen bis hin zum Einkauf der Produkte und der Zurverfügungstellung des Personals. Zudem ist der Arzt nach der vertraglichen Regelung verpflichtet, eine Schweigepflichtentbindung einzuholen und Daten an die GmbH und die von ihr beauftragten Subunternehmen weiterzugeben.
Das Landgericht Berlin wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass eine ärztliche Praxis voraussetze, dass der Arzt eine generelle, nicht nur für den einzelnen Behandlungsfall eingeräumte und nicht von der Bestimmung Dritter abhängige Nutzungsbefugnis habe und er die medizintechnische und personelle Ausstattung verbindlich bestimmen können müsse. Einen weitergehenden Unterlassungsanspruch der Wettbewerbszentrale wies das Gericht dagegen zurück. Die Wettbewerbszentrale hatte nicht nur den Kooperationsvertrag beanstandet, sondern auch die fehlende Information der Verbraucher darüber, dass der Arzt nach diesem Vertrag nur 30 Prozent seines Honorars behalten darf und das darüberhinausgehende Honorar an den Kooperationspartner zahlen muss. Aus Sicht des LG Berlin benötigten Verbraucher:innen keine Information über den dem Arzt zur freien Verfügung stehenden Teil seiner Vergütung, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.
Vorgegangen ist die Wettbewerbszentrale auch gegen Ärzte, die sich mit fremden Federn schmückten. So untersagte das OLG Oldenburg einem Zahnarzt, sich als „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ zu bezeichnen, denn er hatte diese Facharztausbildung gerade nicht absolviert. Und der „Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Akupunktur, Hypnose, Sexualmedizin, Psychoneuro-immunologie, Energie- und Raumfahrtmedizin“ hatte einfach Facharzt-Gebiete dazu erfunden. Die Richter am LG Koblenz verwiesen darauf, dass Verbraucher:innen besondere Fachkenntnisse über „Hypnose“, „Sexualmedizin“ etc. und damit eine bestmögliche Behandlung auf diesen Gebieten erwarteten.
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