Software für den Medikationsplan Julia Pradel, 15.04.2015 13:39 Uhr
Ein Scan, schon ist die gesamte Medikation eines Patienten im Computersystem: Der bundesweit einheitliche Medikationsplan und seine Umsetzung in der Praxis ist eines der Hauptthemen der diesjährigen Messe „Connecting Healthcare IT“ (conhIT). Annette Widmann-Mauz (CDU), Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Schirmherrin der Veranstaltung, warb für das E-Health-Gesetz. Der Blogger und Buchautor Sascha Lobo warnte vor zu viel Datengläubigkeit.
Verschiedene Unternehmen stellten vor, wie der Medikationsplan eingelesen, bearbeitet und für den Patienten ausgedruckt werden kann. Ab Oktober 2016 sollen Patienten, so sieht es das geplant E-Health-Gesetz vor, ein Recht auf einen ausgedruckten Plan haben. Außerdem soll er in Zukunft auf der Gesundheitskarte hinterlegt sein. Die Medikationsdaten werden nicht zentral gespeichert, sondern in einem 2D-Code verschlüsselt. Dieser Code auf dem ausgedruckten Plan kann von jedem Scanner eingelesen werden.
Darüber hinaus bieten die Software-Unternehmen wie ID (Information und Dokumentation im Gesundheitswesen), Telekom, MMI und RpDoc verschiedene Zusatzleistungen an, wie etwa Interaktions- und Nebenwirkungschecks anhand verschiedener Datenbanken, die Überführung der Medikation in die Hausliste bei Aufnahme im Krankenhaus oder die die Rückführung zum Rabattvertragsarzneimittel bei der Entlassung. Die Hinweise für die Patienten werden zum Teil zusätzlich durch Symbole dargestellt, die Indikation kann mitunter auch in „Laiensprache“ angegeben werden.
Daneben sind in diesem Jahr Mobilität, Sicherheit und Vernetzung Hauptthemen der Messe. Widmann-Mauz betonte beim Eröffnungskongress, dass IT-Anwendungen im Gesundheitswesen gleichermaßen Chance und Herausforderung seien. „Es geht darum, die hohe Qualität der Versorgung zu erhalten, aber auch die Bezahlbarkeit des Systems. Die Digitalisierung kann ein wichtiger Beitrag sein“, so Widmann-Mauz. So könne es beispielsweise Telemedizin statt einen Ärztemangel auf dem Land geben.
Einerseits ist sich Widmann-Mauz sicher, die Digitalisierung werde den Gesundheitsmarkt nachhaltig verändern. „Aber wir nutzen nur einen Bruchteil der Chancen“, so die Staatssekretärin. Insbesondere beim Transfer der Daten stecke man vielfach noch im analogen Zeitalter fest. Oft würden Daten per Fax verschickt und manche hielten das auch noch für besonders sicher. „Das wollen wir ändern.“
Ein erster Schritt sei die Gesundheitskarte gewesen, nun müssten nutzbringende Anwendungen hinzukommen. Leider würden die Arbeiten immer wieder ins Stocken geraten. Mit dem E-Health-Gesetz solle nun aber Tempo gemacht werden. Das sei klar darauf ausgerichtet, die Telematik-Infrakstruktur zur zentralen Kommunikationsstruktur im Gesundheitswesen zu entwickeln. Diese „Daten-Autobahn“ sollten dann auch andere Berufe wie etwa Pflegedienste nutzen können.
Auch die Industrie sieht ungenutzte Chancen: „Auf der conhIT beweisen wir, dass Healthcare-IT mehr kann, als sie in Deutschland momentan zeigen darf“, so Matthias Meierhofer, Vorsitzender des Bundesverbands Gesundheits-IT (BVITG). Man thematisiere den wirklichen Wert von IT-Lösungen für die Gesundheitsversorgung und fordere damit Politik und Selbstverwaltung auf, „über die Folgen ihrer Unentschlossenheit für das deutsche Gesundheitssystem nachzudenken“.
Professor Dr. Paul Schmücker, Präsident des conhIT-Kongresses, erklärte: „Mit Wearables, Apps und Smartphones bieten sich immer mehr Optionen zur Sammlung, Verwaltung und Auswertung der eigenen Gesundheitsdaten.“ Deshalb dürfe das Thema Vernetzung nicht nur auf Leistungserbringer bezogen werden. „In diesem Zusammenhang werden wir auch Fragen zum Datenschutz, zur IT-Sicherheit und bezüglich Big Data diskutieren.“
Lobo erklärte, dass es eine fast grenzenlose Daten-Begeisterung gebe, besonders wenn es um Gesundheitsdaten gehe. Er sprach sich dafür aus, die schiere Existenz von immer mehr gesundheitsbezogenen Daten als Macht zu begreifen. Allerdings müsse zwischen Datenmacht – also etwa Mustern, die aus großen Datenmengen erkennbar sind – und Datengläubigkeit unterschieden werden. „Das kann leicht in Humbug hineinkippen“, warnte er.
Lobo appellierte an die Anwesenden: „Es ist Ihre Aufgabe, das in die richtige Richtung zu lenken.“ Datenschutz und Datensouveränität würden zunehmend wichtiger. Besonders bei Gesundheitsdaten gehe es darum zu gestalten, wie sie in die Gesellschaft fließen und was sie da tun. Es sei eine explosive Mischung, wenn Gesundheitsdaten von Versicherungen zur Risikoberechnung verwendet würden, warnte er. „Sie sind diejenigen, die diese Macht mit verwalten, und Sie müssen dieser Verantwortung gerecht werden“, sagte Lobo in Richtung der Branche.
Die Messe zum Thema digitales Gesundheitswesen wurde 2008 vom BVITG initiiert und von der Messe Berlin organisiert. In diesem Jahr sind knapp 400 Aussteller aus 14 Ländern auf einer Fläche von insgesamt 15.000 Quadratmetern vertreten. Die Veranstalter erwarten bis zum Abschluss der Messe am Donnerstag rund 6500 Fachbesucher.
Die conhIT wird in Kooperation von den Branchenverbänden BVITG, GMDS (Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie), BVMI (Berufsverband Medizinischer Informatiker) sowie unter inhaltlicher Mitwirkung von KH-IT (Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter) und ALKRZ (Arbeitskreis der Leiter der Klinischen Rechenzentren der Universitätskliniken Deutschland) gestaltet.